Das Fettgewebe: Mehr als nur ein Ort der nutzlosen Fettspeicherung

von Susann Kräftner für tri2b.com | 08.03.2011 um 13:11
Ist es nicht erstaunlich, wie sich die Wissenschaft und ihre Sicht auf den Körper im Laufe der Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte verändert? Nur, um Ihnen einige Beispiele zu nennen: Man war vor nicht allzu langer Zeit noch der Meinung, das Nervenzellen und Nervengewebe keinerlei Potenzial zur Regeneration besitzen, auch die Muskelzelle wurde als nicht vermehrungs- und anpassungsfähige Zelle abgestempelt. Das Fettgewebe aber ist bis heute negativ besetzt, aus ästhetischer Sicht eine Beleidigung für das Auge und medizinisch gesehen eine Gesundheitsgefährdung. Mode und Medizin haben sonst wahrlich wenig gemein, aber was das Fett betrifft stehen sie Seite an Seite.

Und nun die neuesten Schlagzeilen aus der Wissenschaft
Fettgewebe bildet die Brücke zwischen Immunsystem und Stoffwechsel
Das Fettgewebe ist ein endokrin – das heißt, es produziert Hormone – und immunologisch ein sehr aktives Organ. Einige von Ihnen wissen vielleicht schon, dass Fettzellen ein breites Spektrum an löslichen Substanzen (Mediatoren) erzeugen, die bei der Regulierung von Appetit und Gewicht eine zentrale Rolle spielen. Eine ganz junge Sichtweise ist aber die, dass das Fettgewebe die Brücke zwischen Immunsystem und Stoffwechsel bildet. Das ist übrigens ein interessanter Aspekt für Athleten, deren Haltung zum Fett in der Regel wenig entspannt scheint. Fett wird im Allgemeinen von Laien ebenso wie von Medizinern, Trainern, Coaches oder Athleten nach wie vor als eine inaktive Zellmasse gesehen, die wir lediglich in Zeiten der Not als Energiereserve benötigen.

Und nun kommen da einige Wissenschaftler mit anderen Ergebnissen und alles soll plötzlich ganz anders sein? Ja, genau das ist der Fall. Immer mehr Wissenschaftler erkennen, dass der Körper eine funktionelle Einheit ist, und somit auch das bisher ungeliebte Feit ein wesentlich Teil davon ist. Die jüngsten Daten weisen darauf hin, dass das Fettgewebe eine Vielzahl an Hormonen und Proteinen freisetzt, die das Gleichgewicht des Körpers und seiner Funktionen regulieren, dazu gehören Organe ebenso wie Zellen.
Wissenschaftler haben molekulare Signalwege entdeckt, die Fettgewebe und Immunsystem miteinander verbinden. Sie fanden heraus, dass viele aktive Moleküle, die bisher nur dem Immunsystem zugeschrieben wurden, von Fettzellen ebenfalls freigesetzt werden. Ich freue mich beobachten zu können, dass die Wissenschaftler die Mauern, die sie selbst durch den Körper gezogen haben, selbst niederreißen müssen, weil sie erkennen mussten, dass die von ihnen einmal gezogenen Grenzen den Forschungsergebnissen nicht nur nicht mehr entsprechen, sondern die Arbeiten sogar behindern. Die alten Modelle eignen sich nicht mehr den Körper zu untersuchen. Die Mauern zwischen dem Nerven- und dem Immunsystem wurden bereits niedergerissen, nun folgen die, die das Fettgewebe ausgrenzten. Vielleicht bekommt Fett ja nun bald eine positivere Bedeutung.

In diesem Artikel geht es nicht um Fettleibigkeit. Ich möchte Bewusstsein schaffen und diejenigen ansprechen, die schlank sein wollen und müssen, weil sie Leistungen auf einem Top-Level erbringen wollen. Es ist natürlich sehr wichtig die krankmachenden Aspekte der Fettleibigkeit nicht aus dem Auge zu verlieren, denn die gesundheitsgefährdenden Einflüsse des Übergewichts haben sehr viel mit den Wechselwirkungen von Körperfett und Immunsystem zu tun. Fettleibigkeit (Adipositas) treibt den Körper in einen entzündlichen Zustand hinein, der ernste Folgen für die Gefäße und den Stoffwechsel des Körpers hat (Diabetes Typ 2, Bluthochdruck etc.) Aber nun zurück zur Physiologie, zum gesunden Menschen und ein anderes Mal mehr Details zur Pathophysiologie.


Das Fettgewebe ist eng mit der angeborenen Immunität verknüpft und an sämtlichen Entzündungs- und Heilungsprozessen beteiligt.
Es hat entzündliche ebenso wie entzündungshemmende und die Entzündung modulierende Eigenschaften. Bis heute wurden mehr als 100 Moleküle (Peptide und Proteine) identifiziert, die dabei mitwirken. All diese Moleküle können als immunologisch, metabolisch und neurologisch aktiv gesehen werden… sie bilden alle zusammen ein eng miteinander verflochtenes Gewebe. Deshalb kann man immunologische/entzündliche Parameter (CRP, TNF, IL-6) häufig dann messen, wenn auch Stoffwechselstörungen vorliegen (wie bei Athleten die Insulinresistenz oder ein Diabetes Typ 2 oder eben Fettsucht etc.).
Das Fettgewebe sollte daher als Schnittstelle zwischen Energiestoffwechsel und Immunsystem gesehen werden, als ein ganz wichtiger Vermittler.


Ohne angeborene Immunität keine intakte erworbene Immunität

Die uns angeborene Immunität ist Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine angemessene erworbene Immunität entstehen kann. Das bleibt das ganze Leben lang so, beide bleiben unabdingbar dynamisch aneinander gebunden, sowohl bei der harmonischen Kooperation mit unserer eigenen Flora (Darm, Blase etc.), als auch bei der Arbeit gegen gefährdende Viren und Bakterien. Wenn ein offensichtliches Stoffwechsel-Ungleichgewicht vorliegt, können aufgrund der engen Verbindungen zwischen Fettgewebe und Immunsystem sowohl gesättigte Fettsäuren aus der Nahrung als auch solche, die die im Körper aus Triglyceriden entstanden sind, entzündliches Potential haben. Hier kommen die ungesättigten Fettsäuren ins Spiel, sie dämpfen Entzündungsprozesse (aber dazu ein anderes Mal mehr über).

Fett macht nicht fett!
Dies war nicht mehr als eine sehr grobe Annäherung an ein Thema, das leicht ein Buch füllen könnte. Ich hoffe dennoch, dass ich vermitteln konnte, dass das Fettgewebe rehabilitiert werden muss. Es ist nicht das Fett, das fett macht, sondern das zu viele Essen! Fett ist äußerst wichtig für die Gesundheit, die Energieversorgung und für eine intakte Funktion des Immunsystems. Und es ist von außerordentlicher Bedeutung für die Ausdauerleistung. Eine Triathlon-Langdistanz kann man nur durch eine Energieversorgung aus dem Fettgewebe überstehen. Zu viel Fettgewebe ist allerdings schädlich, weil die Balance zwischen Immunsystem und Fettgewebe gestört ist. Fettleibigkeit führt zu einer systemischen Entzündung, durch die in erster Linie Gefäße und Stoffwechsel geschädigt werden, ebenso führt aber auch fehlendes Fettgewebe zu Immundefekten und Stoffwechselstörungen. Es dreht sich alles darum, den Körper in der Balance zu halten. Es ist eine große Herausforderung für jeden von uns, das Ganze zu sehen und nicht nur die Einzelteile.

Wir sollten unsere Einstellung gegenüber dem Fettgewebe überdenken, es ist höchste Zeit dafür. Es ist an der Zeit, es zu entdämonisieren!