Kristian Blummenfelt: Jetzt volle Konzentration auf Paris 2024, dann zurück nach Kona

Harald Eggebrecht für tri2b.com | 01.02.2023 um 14:26
Der Norweger Kristian Blummenfelt will das schaffen, was viele Triathlon-Experten für unmöglich halten. Die Rückkehr auf das aktuelle Kurzdistanz-Weltklasseniveau nach einem Jahr mit drei Langdistanzen, um im kommenden Jahr bei den Olympischen Spielen in Paris den Titel zu verteidigen. 2022 hat der 28-jährige aus Bergen in Südwestnorwegen fast alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Das gelungene Sub-7 Projekt, Ironman und Ironman 70.3-Weltmeister in St. George und Rang drei beim Ironman Hawaii. Mit diesen Erfolgen steht Kristian Blummenfelt derzeit auf Rang eins im PTO-Worldranking. Auf die neue Saison bereitet sich der Triathlon-Olympiasieger derzeit im Höhentrainingslager in Marokko vor, wo wir mit ihm im Chat ausführlich über das aktuelle Training, seinen Laufschuhwechsel und die Saisonziele sprechen konnten.

tri2b.com: Du hast deinen Schuhausrüster gewechselt, wo siehst du die besonderen Vorteile deiner Zusammenarbeit mit On?Kristian Blummenfelt (K.B.): Es ist vor allem das Team von On, das hinter den Entwicklungen steht. Ich bin davon überzeugt, dass ich so mit dem bestmöglichen Material den Weg in Richtung Paris bestreiten kann. Ich habe das in Hawaii bei Gustav gesehen, wie das On-Team hier kurzfristig Sachen verändert und angepasst hat. Es hat mich wirklich beeindruckt, wie hier Kleinigkeiten immer wieder ausgetestet wurden. Ich bin mir sicher, so in Paris mit dem schnellsten und besten Schuh an der Startlinie zu stehen.

tri2b.com: Wieviel Einfluss hat deiner Meinung der perfekte Laufschuh auf die Leistung. Die Marathon-Zeiten auf der Langdistanz werden immer schneller. Patrick Lange lief beim Ironman Israel eine 2:30:32 und will 2023 unter 2:30 laufen. Wo sind die Grenzen?
K.B.: Ich denke unter 2:30 ist definitiv möglich, wobei es darauf ankommt, wie die Vorbelastung beim Schwimmen und Radfahren weggesteckt wird. Das habe ich bei meinem Sub-7 Rekord selbst gespürt. Das Radfahren war dort von der Zeitdauer zwar etwas kürzer, aber von der Intensität sehr mit einer Langdistanz ohne Unterstützung vergleichbar. Wenn alles zusammenpasst, dann kann es vielleicht bald schon in Richtung 2:25 Stunden runtergehen. Mit den immer besseren Schuhentwicklungen haben viele Athleten ihre Marathonzeit um die 5 Minuten verbessert. Diese generelle Entwicklung zeigt ja, dass eine 2:35 jetzt die neue 2:40 ist. Außerdem ist es durch die neuen Entwicklungen der Schuhindustrie möglich auch im Training öfter in der angepeilten Race-Pace zu laufen, ohne sich gleich der Gefahr einer Verletzung auszusetzen. So ist es möglich, noch besser vorbereitet an der Startlinie zu stehen.

tri2b.com: Wie sieht es in deinem eigenen Lauftraining mit dem Einsatz von Schuhen mit Carbon-Platte aus?
K.B.: Ich mache einen Großteil meines Lauftrainings mit Schuhen ohne Carbon-Platte. Einfach auch um die spezifische Laufmuskulatur und die so wichtige Vorspannung zu trainieren. Das geht am besten beim Laufen, ansonsten müsste man dies dann extra mit einer Athletik-Einheit im Studio nachholen. Direkt vor einem Rennen macht es aber Sinn die schnellen Einheiten in Carbon-Schuhen zu machen, um noch mit der exakt gleichen Schrittlänge wie im Rennen zu trainieren.

Kristian Blummenfelt: Laufschuhe mit Carbon-Platte nutzt der Norweger im Training vor allem für die sehr schnellen Einheiten und in der finalen Wettkampfvorbereitung - © On-Running

tri2b.com: Die perfekte Ausrüstung ist das eine, die Basis bilden aber die Physis und die Leistungswerte. Du hast dich zuletzt vielen Tests unterzogen. Wo stehst du nach einem Jahr mit drei Langdistanzen auf dem Weg zu deinem großen Ziel, der Olympia Titelverteidigung Paris 2024?
K.B.: Es ist nicht so schlimm wie ich erwartet hatte. Es war klar, dass die Saison 2022 mit dem Fokus auf die Langdistanz ein Risiko im Hinblick auf die Rückkehr auf die Kurzdistanz und Olympia 2024 sein könnte. Aber schon die kurzen Rennen im letzten Jahr haben gezeigt, dass ich nicht so viel Speed verloren habe. In Bergen, bei meinem Heim-Weltcup, fehlte mir als Zweiter nur eine Sekunde zum Sieg. Außerdem gab es zwei Top Ten Platzierungen bei den WTCS-Rennen in Bermuda und Abu Dhabi zum Ende der Saison, und dass ohne die typischen schnellen Bahneinheiten in der speziellen Vorbereitung. Das gibt mir sehr viel Zuversicht im Hinblick auf Olympia 2024.

Dazu muss ich anmerken, dass ich auch im letzten Jahr sehr aggressiv das High-Intensity-Training angegangen bin. Ich habe noch viele schnelle Sachen gemacht und das Basistraining auf der Lang- und Kurzdistanz ist sowieso sehr vergleichbar. Vor den langen Rennen wurde es allerdings spezifischer, d.h. vor den Langdistanzen gab es dann Einheiten von 6 bis 7 Stunden Dauer, in teils rennähnlicher Geschwindigkeit.

tri2b.com: Gibt es schon einen konkreten Plan wie deine Saison 2023 aussehen wird? Wird es einen Spagat zwischen den Rennen der WTCS und längeren Distanzen geben? Schließlich willst du ja auch im PTO-Worldranking die Leader-Position verteidigen.
K.B.: Ursprünglich hatte ich geplant nach der Kurzdistanzsaison im Oktober 2023 auf Hawaii zu starten. Das hätte ganz gut reingepasst, da ich die Strecken kenne und mit zwei bis drei Wochen spezifischem Training in eine gute Kona-Form gekommen wäre.

Mit dem Nizza-Termin sieht das anders aus. Das ist noch mitten in der Kurzdistanzsaison und auch der dortige Kurs benötigt eine längere spezifische Vorbereitung. Man benötigt sicher fast einen Monat spezielle Vorbereitung, um auf einem so schweren Kurs das volle Potenzial ausschöpfen zu können. Deshalb ist mein Saisonziel die Gesamtwertung der WTCS-Series und die Rennen der PTO. Und nicht zu vergessen. Wir haben im August den vorolympischen Testwettkampf in Paris. Dort gilt es Erfahrungen zu sammeln, um damit das Training so auszusteuern, dass man 2024 dann in der Lage ist dort zu gewinnen.

tri2b.com: Das heißt, wir sehen dich dann 2024 wieder in Kona?
K.B.: Ja genau, jetzt heißt es erstmal volle Konzentration auf Paris 2024. Danach wird es wieder einen Langdistanz-Block geben. Es ist toll, 2024 gleich die Möglichkeit zu haben in Kona zu starten und 2025 dann in Nizza.

tri2b.com: Wie siehst du mit etwas Abstand die Ironman-Entscheidung die World Championship bis 2026 zwischen Kona und Nizza aufzuteilen?
K.B.: Es ist eine zweischneidige Sache. Es ist sicher ein Nachteil, wenn die Rennorte für Männer- und Frauen gesplittet werden und wir nicht beide gleichzeitig an einem Ort starten. Auf der anderen Seite finde ich es gut auf unterschiedlichen Kursen den Ironman-Weltmeister zu küren. Wenn man als Profi das sechste oder siebte Mal nach Kona kommt, dann dürfte sich das wie eine Endlosschleife anfühlen. Gerade, wenn einem die Bedingungen dort nicht so liegen. Jetzt gibt es die Herausforderung des bergigen Radkurses in Nizza mit den Anstiegen und technisch anspruchsvollen Abfahrten. Mit den Veränderungen haben nun unterschiedliche Athletentypen die Chance auf eine Topplatzierung bei einer Ironman WM. Es wird abwechslungsreicher und nicht mehr so sein, dass man im Training einfach nur das Programm vom Vorjahr kopiert.

tri2b.com: Aktuell trainierst du im Atlasgebirge in Marokko, zusammen mit Gustav Iden. Was sind die Vorzüge gegenüber der Sierra Nevada, wo du dich auf die Saison 2022 vorbereitet hattest?
K.B.: Wir versuchen ständig im Training was zu verändern, um neue Reize zu setzen. Jetz wollen wir eine noch größere Höhe ausprobieren. Unser Trainingsort im Atlasgebirge liegt auf 2.650 Metern über dem Meer und damit 300 Meter höher als in der Sierra Nevada. Bevor wir anreisten haben wir einen Blutvolumentest gemacht, um unsere Gesamtmenge an Hämoglobin zu messen. Das werden wir im Anschluss des vierwöchigen Höhenaufenthalts wieder machen und sehen die Veränderung. Wenn es nicht wie erwartet funktioniert, dann haben wir die Monate April und Mai für eine Korrektur des Trainings. Aber wir hoffen natürlich, dass wir nach unserer Rückkehr wie Maschinen auf Meereshöhe unterwegs sind.


Lauftraining in der dünnen Luft des Atlasgebirges - © On-Running

tri2b.com: Auf Strava sieht man, dass du gerade viel auf dem Laufband trainierst?
K.B.: Ja, das stimmt. Wir haben hier im Atlasgebirge einige tolle Trails für das Grundlagenlauftraining, aber es gibt keine Bahn für schnelle Einheiten und Intervalle. Diese Einheiten machen wir dann auf dem Laufband. Es ist auf jeden Fall ein super Standort um neue Reize zu setzen und vor allem der Anstieg für das Radtraining bietet atemberaubende Ausblicke.

tri2b.com: Wie geht es nach dem Höhencamp weiter?
K.B.: Wir werden anschließend nach Gran Canaria gehen, um auf Meereshöhe zu trainieren, bevor es Anfang März zum Saisonstart nach Abu Dhabi geht.

tri2b.com: Kurz vor unserem Interview kam die Nachricht rein, dass Sebastian Kienle im August beim Norseman starten will. Könnte das Rennen auch auf deiner Bucketlist stehen?
K.B.: Durchaus wäre der Norseman ein Ziel, das ich in Richtung Karriereende anstreben könnte. Die Latte liegt dort sehr hoch, um einen neuen Streckenrekord auf dem Gausta aufzustellen. Ich selbst bin dort schon als ganz junger Athlet beim Mini-Triathlon am Tag vor dem Norseman gestartet. Ich finde es wirklich cool, dass Sebi nach Norwegen kommt und bin sehr gespannt, wie es ihm ergeht, wenn er in das eiskalte Wasser des Hardangerfjords springt.

tri2b.com: Kristian, vielen Dank für deine Zeit. Wir wünschen dir eine verletzungsfreie Saisonvorbereitung und sind schon sehr gespannt auf dem Saisonauftakt in Abu Dhabi.