Interview mit Ralf Ebli: "Ein Ziel muss immer hoch angesetzt sein"

von Frank Ketterer für tri2b.com für tri2b.com | 02.12.2002 um 08:03
Es scheint, als ob in den letzten Jahren ein wenig mehr Ruhe und Stabilität eingekehrt wäre in die Planungs- und Lenkungsapparate der Deutschen Triathlon Union. Für eine kontinuierliche, sportliche Entwicklung war das auch dringend geboten, denn Vuckovic hin oder Dittmer und Franzmann her – der olympische Auftritt in Sydney hatte insgesamt gesehen vor allem eines: Potential für Steigerungen. Bundestrainer Ralf Ebli wähnt sich nun auf dem Wege, dieses auszuschöpfen.

Nur noch gut eineinhalb Jahre, dann werden in Athen auch schon wieder olympische Medaillen verteilt. Für die Deutsche Triathlon Union (DTU) sind die Olympischen Spiele 2004 das nächste ganz große Ziel, auf dem Weg dorthin liegen die deutschen Dreikämpfer mehr denn je im Soll: 14 Top-Ten-Platzierungen im Weltcup, zwei Bronzemedaillen bei der EM sowie zwei sechste Plätze bei der WM beweisen das. 2002 war also ein gutes Jahr für die deutschen Kurzstreckler - und bietet schon deshalb allerlei Grund, ein längeres Gespräch mit Bundestrainer Ralf Ebli zu führen. tri2b: Herr Ebli, schon wieder ist ein Jahr vorbei. Wie fällt Ihre Bilanz aus? Ebli: Wir haben die gestellten Etappenziele nicht nur erreicht, sondern sie sogar übertroffen. Zwar hatten wir beim Weltcup in Florida einen etwas vermurksten Saisonauftakt, haben dann aber die Dinge, die da falsch liefen, schnell abgestellt und konnten in der Folgezeit planmäßig trainieren und die vorgenommenen Inhalte auch ganz gut umsetzen. Das hat bereits Anfang Juni zu dem ein oder anderen guten Ergebnis wie dem Sieg von Maik Petzold beim Internationalen Rennen in Zunder oder bei den Deutschen Meisterschaften geführt. Erster Saisonhöhepunkt war dann die EM, die ich ebenfalls als gelungen bezeichnen möchte. Auch wenn es nur Bronze gab, so haben wir durch die dritten Plätze von Christiane Pilz und Maik Petzold doch ein Drittel der Medaillen abgegriffen. Außerdem haben wir durch Platz fünf von Daniel Unger, dem Zehnten von Dirk Bockel und dem Zwölften von Andreas Raelert gezeigt, dass es auch in der Breite mittlerweile stimmt. Auch die nachfolgenden Weltcups boten für uns zum Großteil erfreuliche Erfahrungen, bevor wir dann ja nochmal neu aufgebaut haben für die Flut von Wettkämpfen im August und September. tri2b: Nur nochmal zum Mitzählen: Auf wieviele Top-Ten-Platzierungen im Weltcup hat es die DTU alles in allem gebracht? Ebli: Unger hatte drei, Petzold zwei, Stephan Vuckovic, Sebastian Dehmer und Bockel hatten je eine. Bei den Frauen stehen für Pilz drei zu Buche, bei Anja Dittmer zwei und für Ricarda Lisk eine. Macht alles in allem 14. tri2b: So viel wie nie zuvor. Ebli: Stimmt. Wir haben uns in der Weltcup-Mannschaftswertung bei Männern wie Frauen auf Rang sechs vorgearbeitet - und das hat dazugeführt, dass wir das erste Mal einigermaßen stabil drei Startplätze bei Olympia sicher haben. tri2b: Und das macht, zusammen mit den beiden sechsten Plätzen bei der WM durch Dittmer und Petzold, also einen rundum zufriedenen Bundestrainer. Ebli: Ich möchte zwar nicht in Superlative ausbrechen, aber ich finde die Bilanz gut. Auf der anderen Seite ist aber auch klar, dass noch ein gewaltiges Stück Arbeit vor uns liegt, die wir nun im nächsten Jahr angehen werden. tri2b: Lassen Sie uns ein wenig ins Detail gehen und da mit dem Negativen beginnen: Was hat Sie im zurückliegenden Jahr besonders enttäuscht? Welcher Athlet oder welche Athletin ist hinter Ihren Erwartungen zurückgeblieben? Ebli: Prinzipiell enttäuscht hat mich der Weltcup-Auftakt in Florida, wobei ich die Schuld da nicht den Athleten gebe, sondern dem Gesamtsystem. Die Fehler haben wir analysiert und gemeinsam ausgestanden, das ist vergessen. Nicht ganz so zufrieden war ich außerdem mit dem Abschneiden unserer Junioren bei der EM, wobei ich dem anfügen muss, dass sie sich danach wirklich zusammengerissen haben und das Bild schon bei der WM revidiert haben. tri2b: Nun zum Angenehmen: Wer oder was war für Sie die Überraschung des Jahres? Ebli: Dass Daniel Unger so konstant durchschlägt sowie die beiden EM-Medaillen von Maik Petzold und Christiane Pils. Und dass Ricarda Lisk und Sebastian Dehmer bereits in ihrem ersten Elite-Jahr je eine Top-Ten-Platzierung im Weltcup geschafft haben. In der Vergangenheit ist uns ja gerade dieser Sprung von den Junioren in die Elite nicht so gelungen. tri2b: Bei Ihrem Amtsantritt haben Sie die deutschen Sportler zwischen eineinhalb bis zwei Minuten hinter der Weltspitze herhinken sehen. Um wieviel konnte dieser Abstand reduziert werden? Ebli: Ich denke, wir haben zwischen einer und eineinhalb Minuten gut gemacht. Das zeigen gerade unsere Laufleistungen. Wir sind im Laufbereich jetzt schon in der Lage im weiblichen Bereich mit zwei, also mit Dittmer und Pilz, und bei den Männern sogar mit drei Sportlern - Unger, Petzold und Vucko nämlich - absolute Weltklasseleistungen erbringen zu können. tri2b: Ihr damaliges Urteil über die Rennstruktur auf der Kurzstrecke: Dem Schwimmen kommt vorentscheidende Bedeutung zu, das Radfahren hat sich eher auf Zulieferdienste reduziert, im Laufen schließlich werden die ersten Plätze vergeben. Hat das noch Gültigkeit? Ebli: Von der Tendenz her ist das nach wie vor Stand der Dinge. Wobei man sagen muss, dass durch die Streckenauswahl und die taktischen Varianten, die derzeit auf dem Rad gefahren werden, das Rad wieder ein klein bisschen mehr an Bedeutung gewinnt. Es wird da doch arg mit taktischen Geschichten wie Antritten oder Geschwindigkeitsüberhöhungen gearbeitet, gerade in den Weltcups, wo auch das Streckenprofil wieder anspruchsvoller geworden ist. tri2b: Was bedeutet das fürs Training? Ebli: Wir haben das Radtraining nicht runtergefahren wie andere Nationen, sondern wir haben es sogar wieder ein wenig erhöht. Und wir werden auch im nächsten Jahr wieder mehr Rad machen, vor allem die Dinge, die wir brauchen, wie zum Beispiel Kraft-Ausdauer. tri2b: An welchem Punkt fehlt es den deutschen Athleten noch am meisten? Beim Schwimmen? Ebli: Nee. Das kann man so nicht sagen. Wir sind eigentlich überall drangekommen, auch wenn überall noch ein bisschen fehlt. Auch im Schwimmen haben wir gezeigt, dass wir mit der ersten Gruppe aus dem Wasser gehen können, da müssen wir jetzt einfach noch Stabilität reinbringen. Fürs Laufen gilt eigentlich das Gleiche. tri2b: Was fehlt beispielsweise Daniel Unger oder Maik Petzold noch, um bei einem Weltcup auch mal ganz oben oder doch zumindest auf dem Treppchen stehen zu können? Ebli: Beiden fehlen beim Laufen 20 bis 30 Sekunden, dann sind sie Dritter bei nem Weltcup. Aber das kriegen wir auch noch hin. tri2b: Auch so schon haben gerade die Beiden einen erfreulichen Schritt nach vorne getan. Kann man sagen, dass die deutschen Männer in der Weltspitze angekommen sind? Ebli: Auf jeden Fall. Das zeigen die Ergebnisse. tri2b: Was machen Sie dafür verantwortlich? Was hat sich an den Rahmenbedingungen im Gegensatz zu früher geändert? Ebli: Das Training läuft mehr aus einer Hand und ist vielleicht auch besser aufeinander abgestimmt. Außerdem ist das Gesamtsystem professioneller geworden. Und auch das zwischenmenschliche Verhältniss, das Klima in der Mannschaft, hat sich stark verbessert. tri2b: Ist das ein Resultat des Zusammenlebens am Olympiastützpunkt in Saarbrücken und der im täglichen gemeinsamen Training gewonnen Erkenntnis, das man bestimmte Ziele nur gemeinsam erreichen kann? Ebli: Ja, auch. Es hat vor allem aber auch mit personellen Dingen zu tun. Wir haben derzeit ein extrem junges Trainerteam, das sehr nahe dran ist an den Athleten und entsprechend auch Verständnis für sie mitbringt. tri2b: Profitum im eigentlichen Sinne, so wie man es von den Langstrecklern Leder oder Hellriegel kennt, ist das aber immer noch nicht. Ohne die Unterstützung der Bundeswehr könnte kaum einer der Athleten von seinem Sport wirklich leben. Woran liegt das? Ebli: Ich sehe das gar nicht mehr so. tri2b: Sondern? Ebli: Ich bin der Meinung, dass sich das von der Tendenz her mittlerweile aufhebt. Auch die vier, fünf besten Kurzstreckler könnten mittlerweile ganz gut von ihrem Sport leben, wenn auch vielleicht noch nicht so gut wie ein Lothar Leder, aber immerhin. Mit der Rundumversorgung am Olympiastützpunkt stellen wir als Verband ja lediglich sicher, dass die Athleten nur wegen den des Geldes das ein oder andere Tingel-Tangel-Rennen machen müssen, sondern sich auf die wesentlichen Ziele konzentrieren können. tri2b: Auch die DTU hat ja versucht, ein Plus an Professionalität in das bisweilen vorherrschende Chaos der Vergangenheit zu bringen. Zum Beispiel durch die Anstellung von Rolf Ebeling, der über viele Jahre beim Deutschen Sport Bund angestellt war. Was genau ist seine Position? Was ist sein Job? Ebli: Rolf Ebeling ist eigentlich der klassische Sportdirektor. Er ist der Mann, der mit der Gesamtorganisation befasst ist, mit Veranstaltungen, Lehrgängen - und mit sportpolitischen Dingen. Das ist für uns ein Riesengewinn, gerade wenn wir professioneller werden wollen. "Wir haben die gestellten Etappenziele nicht nur erreicht, sondern sie sogar übertroffen" ... (in Teil zwei des großen Ralf Ebli-Interviews)