Chris McCormack: Die Laufschuhe bleiben zwei Wochen im Regal

H. Eggebrecht für tri2b.com | 09.07.2009 um 17:32
Chris McCormack kam als Titelverteidiger und Streckenrekordhalter nach Frankfurt. In einem hochdramatischen Rennen musste er sowohl den Titel und die Bestzeit an Timo Bracht abgeben. tri2b.com hat den Australier am Tag nach dem Rennen in einem ausführlichen Interview zu seinen gemachten Erfahrung, den Ausblick auf Hawaii und Regeneration nach einem Ironman-Rennen befragt.

tri2b.com: Chris, du hast hier in Frankfurt auch die Siegerehrung der Altersklassen-Athleten sehr aufmerksam verfolgt. Was beurteilst du die Leistungen, besonders die der ganz hohen Agegroups? 
Chris McCormack (C.M.): Das ist wirklich beeindruckend, diese Leistung. Wenn ich da auf die Bühne hochgeschaut habe, dann habe ich auch meinen Vater vor Augen. Wenn man diese rüstigen Männer und Frauen im Rennen sieht, dann würde man sicher viele um Jahre jünger schätzen. Und das ist ja auch das schöne am Triathlon. Es ist ein Sport für jedes Alter. 

tri2b.com: Wird Chris McCormack auch in 20 Jahren ähnlich fit sein? 
C.M.: Ich hoffe natürlich auch nach meiner Karriere in guter Verfassung zu bleiben. Ich liebe diesen Sport, die Abwechslung der drei Disziplinen. Ich bin mir sicher, dass ich Triathlontraining noch lange machen werde. Es macht mir einfach soviel Spaß. 

tri2b.com Am Sonntag war es allerdings zum Schluss im Marathon alles andere als ein Spaß. Wir haben selten einen so schwer kämpfenden und angeschlagenen Chris McCormack gesehen. Was ist dir da durch den Kopf gegangen? 
C.M .: Es waren die letzten sieben Kilometer. Nachher haben manche Leute gesagt, du bist den Marathon zu schnell angegangen. Aber ich bin hierher gekommen, um zu gewinnen. Nicht zum Zweiter oder Dritter zu werden. Ich versuche jedes Rennen, in dem ich starte, auch zu gewinnen. Es gibt viele Profiathleten die sich mit Platzierungen zufrieden geben. Ich bin ein anderer Typ. Die Situation war so, dass Eneko Llanos, den ich zu den besten Langstrecklern weltweit zähle, drei Minuten Vorsprung hatte. Nach einer Runde Laufen war der Abstand noch gleich. Er war da auf dem Weg zum Sieg, deshalb habe ich mich entschieden das Loch zu schließen. 

tri2b.com Timo Bracht ging nicht mit. Was für ihn im nachhinein die richtige Entscheidung war. 
C.M.: Sicher, ich habe noch nie so früh in einem Marathon alles auf eine Karte gesetzt. Ich bin auch noch nie so gegen eine Wand gelaufen, wie hier in Frankfurt. Ich musste sogar ein paar Gehpausen einlegen. Timo hat ganz klar den Sieg verdient. 

tri2b.com: Ist das jetzt das neue Duell für die Zukunft? Macca gegen Bracht. In der Vergangenheit wurde deine Duell gegen Normann Stadler und Faris Al-Sultanhochstilisiert. 
C.M.: Es ist eine schwierige Situation für ihn in Deutschland. Ich denke, er ist momentan der beste deutsche Ironman-Athlet. Aber die Hawaii-Siege von Normann Stadler und Faris Al-Sultan überstrahlen das noch etwas. Normann schätze ich immer noch sehr, sehr stark ein. Faris ist derzeit von den besten Zeiten doch etwas entfernt. Timos Stärken sind seine gewissenhafte Arbeit, er ist sehr diszipliniert und konzentriert. Das gefällt mir sehr. 


tri2b.com: Ist es jetzt für dich einfacher auf Hawaii. Du bist nicht Titelverteidiger und reist auch nicht als Ironman Germany-Sieger an? 
C.M.: Ich denke es wird nicht viel anders sein. Wenn ich in Kona lande, dann werden die Leute wieder einen Sieg von mir erwarten. Ich habe bisher 90 Prozent meiner Rennen gewonnen. Es war hier in Frankfurt der erste Ironman außer Hawaii, in dem ich geschlagen wurde. 2003 gab es noch die Niederlage gegen Lothar Leder bei der Quelle Challenge. Ich habe bisher zwölf Langdistanz-Rennen gewonnen. Zusammen mit Roth war ich vier mal unter acht Stunden. Deshalb wird sich auf Hawaii für nicht viel ändern. 

tri2b.com Was nimmst du von deinen gezeigten Leistungen hier in Frankfurt mit in die Hawaii-Vorbereitung? 
C.M.: Kona ist ein Rennen, in dem in allen Disziplinen die beste Form da sein muss, sonst kann man nicht gewinnen. Ich hatte hier in Frankfurt ein wirklich sehr, sehr schlechtes Schwimmen. Ungewohnt langsam. Es war für mich einfach zu warm im Neo. Bei den Wassertemperaturen war es wirklich albern im Neo zu schwimmen. Ich habe dadurch meine Konzentration verloren. Das wird mir ganz sicher in Hawaii nicht noch einmal passieren. Für mich sind Timo und Eneko, sowie Craig Alexander, Andy Potts und Rasmus Henning die Jungs, die es dort zu schlagen gilt. 

tri2b.com Du wirst jetzt nach vielen Wochen in Europa wieder nach Australien zurückkehren. Wie schaut deine Regeneration aus? 
C.M.: Ich freu mich jetzt erst mal auf Daheim. Ich habe meine Familie jetzt sechseinhalb Wochen nicht gesehen. Das ist ein Moment auf den ich wirklich sehr freue. Ich versuche gut zu essen, viel zu schlafen, für die ersten zwei Wochen nach dem Ironman. Klar bewege ich mich auch etwas. Aber nicht nach Plan. Wenn ich Lust auf Radfahren habe, dann geh ich raus und fahre ein, zwei Stunden. Wenn nicht, dann eben nicht. Die Phase, in der ich so mit dem Training verfahre, ist bei mir gewöhnlich drei bis vier Wochen. 

tri2b.com Wieder ins Lauftraining einzusteigen ist sicher die komplizierteste Sache, nach so einem Marathon? 
C.M.: Auf jeden Fall. In den ersten zwei Wochen mache ich definitiv kein Lauftraining. Ich gehe in den Pool zum schwimmen und aufs Rad, aber die Laufschuhe bleiben erst einmal im Regal. Gerade die etwas kräftigeren Athleten wie ich, haben da so ihre Problem. Durch das höhere Gewicht sind die Aufprallkräfte stärker und die Muskulatur wird mehr zerschlissen. Leichtere Athleten haben da vielleicht ihre Vorteile. 

tri2b.com Trotzdem sieht man viele Triathleten, die sehr schnell wieder in volle Training einsteigen und Rennen bestreiten? 
C.M.: Hier machen viele Amateure, aber auch Profis Fehler. Die ersten 90 Prozent der Regeneration finden sehr schnell statt und man fühlt sich auch schon wieder fit, um im Training richtig anzugreifen. Aber genau die letzten entscheidenden 10 Prozent der Erholung benötigen mehr Zeit. Wenn du dann zu früh wieder intensive Reize setzt, dann können diese nicht richtig wirken. Es ist dann nicht möglich die nächste Leistungsstufe zu erreichen. Das muss man sich immer wieder bewusst werden. Etwas mehr Ruhe bringt meist mehr, als sich hier zu früh wieder voll zu belasten.