Chris McCormack: Es wird eine gewaltige Aufgabe

H. Eggebrecht für tri2b.com | 15.02.2008 um 19:32
Hawaii im Oktober 2007: Ein Australier gewinnt nach mehreren vergeblichen Anläufen endlich das Rennen der Rennen. Immer wieder hatte sich Chris McCormack an diesem Rennen, und an der Konkurrenz, die Zähne ausgebissen. Im vergangenen Jahr aber lief alles für den Australier, der sich konsequent und akribisch auf seine Rennen vorbereitet. Wie er nun über seinen Erfolg denkt, und vor allem, wie er die beiden Rennen in Roth und Frankfurt meistern will, erzählt er in einem Interview.

tri2b.com: Chris, du warst Weltmeister auf der Kurzdistanz, hast viermal die QuelleChallenge Roth gewonnen und fünfmal den IRONMAN Australia – nun bist du Hawaii-Champion. Was hat sich geändert nach deinem Sieg in Kona? 
Chris McCormack (Macca): Nicht wirklich viel. Ich bin ein sehr hoch motivierter Individualist und habe immer an Trainingssystem geglaubt, dass wir in den letzten zwölf Jahren auf dem höchsten Niveau im Profi-Triathlon erarbeitet haben. Kona war für mich ein schwieriges Rätsel, weil ich nicht wusste, wie mein Körper mit der hohen Luftfeuchtigkeit klarkommt. Ich habe nie an den Leuten um mich herum gezweifelt. Sie haben an mein Talent geglaubt und wir wussten tief in uns drin, dass wir dieses Rätsel lösen werden und in Kona gewinnen. Die einzige Frage war, wie ich meine Renntaktik gestalte und mein Training hinsichtlich der Luftfeuchtigkeit anpasse. Ich habe mir das Rennen eingeteilt und auf das Laufen gewartet und war damit nicht so abhängig von meiner starken Schwimm-Rad-Kombination. Diese hat mir früher auf der Kurzdistanz immer geholfen und auch am Anfang meiner Ironman-Karriere. Es hat sich nichts geändert seit meinem Sieg in Kona. Mehr als andere habe ich nun sehr gut verstanden, was ich brauche, um auf Hawaii erfolgreich zu sein. Und ich habe mir vorgenommen, den Erfolg auf der Insel in diesem Jahr und auch in den folgenden Jahren zu wiederholen. 

tri2b.com: Nun bist du in der führenden Position. Du bis der Gejagte. Ist das eine Situation, die dir behagt? 
Macca: Ich denke, ich war immer einer der Gejagten, so wird sich daran nichts ändern. Ich freue mich auf diesen Druck, den man als einer der Favoriten hat. Ich liebe den Druck und blühe damit auf. Ich fühle mich gut dabei, denn es ist der Druck, den ich brauche, um während der ganzen Saison konzentriert und zielgerichtet zu arbeiten. Es reizt mich, was die Leute über mich denken. Ich mochte das schon, als ich noch der Weltbeste auf der Kurzdistanz war, das hat sich bis heute nicht geändert. Ich bestreite Rennen genau aus diesem Grund. Ich liebe es, mich mit anderen zu messen und ich liebe es, Rennen zu bestreiten. Der Druck ist ein Teil von dem, und um ehrlich zu sein, freut mich das am meisten im Sport. Druck ist die eigene Erwartung an dich selbst. Ich habe einen ungeheuren Glauben an die Leute um mich herum und in meine Fähigkeiten. Aus diesem Grund ist Druck etwas, worüber und worauf ich mich freue. Es ist ein Teil des Spiels. 

tri2b.com: In den letzten Wochen gab es fast täglich eine Diskussion zwischen denAthleten und Triathloninteressierten: Macca will in Roth und in Frankfurt starten. Ist es möglich, zwei Langdistanzrennen innerhalb einer Woche erfolgreich auf höchstem Niveau zu bestreiten? 
Macca: Wir werden es im Juli herausfinden. Das ist eine riesige Aufgabe und ich bin gespannt wie es ausgeht. Aber für mich geht es nicht darum, was in diesen zwei Wochen passiert. Für mich ist es wichtig zu versuchen, etwas zu erreichen, was noch nie vorher gemacht wurde. Es ist einfach für Leute, die an der Seite stehen, zu sagen, es sei unmöglich dies zu tun. Aber niemand hat es zuvor jemals versucht, ob es möglich ist. Ich bin nicht dumm und ich weiß, es ist eine gewaltige Aufgabe. Ein Misserfolg zählt für mich nicht, ich kann niemals scheitern. Ich will es versuchen und das ist ein Erfolg für mich. Zu versuchen, etwas zu erreichen, was neue Grenzen aufzeigt – im Juli werden wir herausfinden, ob es möglich ist, zwei Ironman in sieben Tagen erfolgreich zu bestreiten. Wenn es klappt, ist es großartig, wenn nicht, habe ich es jedenfalls versucht. Das ist es, was mich motiviert. Ich bin nicht besorgt darüber, was die Leute denken oder sagen, ist es möglich oder nicht. Als ich ein 13 Jahre alter Junge war, sagte ich, ich will niemals etwas anderes machen, als ein Athlet zu sein. Hätte ich auf diese Leute gehört, ich hätte nie zwei Weltmeistertitel gewonnen und wäre nicht dort, wo ich heute bin. Ich fordere mich selbst heraus, das macht den Sport und das Leben für mich aus. 





tri2b.com: Die Geschichte des IRONMAN Hawaii zeigt, dass es niemals einfach war, den Titel zu verteidigen. Besonders dann, wenn die Titelverteidiger schon lange harte Rennen in den Beinen hatten. Ist das der richtige Weg, zum zweiten Mal Hawaii-Champion zu werden? 
Macca: Hawaii ist ein extremes Rennen. Der Prozess des Lernens, wie man hier erfolgreich ist, hat mich verändert. Meine Stärke ist mein unterstützendes Netzwerk und das Trainingssystem, das wir erarbeitet und realisiert haben in den vergangenen Jahren. Ich denke, ich habe das trainiert, was ich brauche, um erfolgreich zu sein in Hawaii. Ich kann nicht kontrollieren, was die anderen Athleten tun, aber ich kann kontrollieren, was ich tue und für mich ist jetzt der Erfolg in Hawaii wichtig. Ich werde nichts tun, was einen Erfolg im Oktober gefährdet. Wir wissen, was das Beste für mich ist und wollen das umsetzen. Was andere Leute glauben, was das Beste für mich wäre, ist deren Meinung. Sie kennen mich nicht, wissen nicht, wie ich ticke. Sie wissen nichts über meine Physis, die man haben muss, um realistische Chancen zu haben. Das sind alles Spekulationen von außen. Die Leute, die ich um mich herum habe, sind clevere Jungs und Mädels und arbeiten mit mir schon eine lange Zeit zusammen. Wir waren sehr erfolgreich über komplette Saisonen, über ein Jahrzehnt hinaus. Ich vertraue diesen Leuten und deren Meinungen, die gut für mich sind. 

tri2b.com: Lass uns über dein Training sprechen. Mit dem Sieg auf Hawaii hat sich ein Traum für dich erfüllt. Bist du noch genauso motiviert für das tägliche Training wie in früheren Zeiten? 
Macca: Ja, natürlich. Ich liebe es, mich zu quälen und ich liebe, was ich tue. Ich verbrachte einige Zeit in der wirklichen Welt nach dem College und wünschte, ein Profi-Athlet zu sein. Nun lebe ich diesen Traum. Ich habe eine Familie und ich bin sehr dankbar für das Leben, das mir der Sport gegeben hat. Mich zu motivieren ist niemals schwer für mich. Ich genieße jederzeit alles, was mit Triathlon zu tun hat. Ich liebe die Mentalität, erfolgreich zu sein. Ich liebe das harte Training, das erforderlich ist, um erfolgreich zu sein und ich mag die Typen in unserem Sport. Und ich genieße wirklich, etwas über meine Physis zu lernen und das Erarbeiten von Trainingsplänen und das Umzusetzen, um ein Ziel zu erreichen. Das ist es, warum ich mich im Grunde selbst in der Rolle eines Trainers sehe, das ist ein Prozess, den ich sehr interessant finde. Um deine Frage zu beantworten, ich bin noch immer motiviert wie zuvor und jetzt hoffe ich, dass es mir mein Körper erlaubt, diesen Sport auf dem höchsten Level noch für einige Jahre auszuüben. 

tri2b.com: Im Moment werden in Deutschland Weltklasseleistungen, wie beispielsweise im Skilanglauf oder Biathlon, mit sehr viel Vorsicht aufgenommen. Wegen der Dopingproblematik. Hattest du ähnliche Probleme nach deinem Hawaii-Sieg? 
Macca: Nein, überhaupt nicht. Ich denke, meine Karriere zeigt, dass ich immer ein sauberer Athlet war. Ich war beständig während meiner gesamten Karriere. Meine Erfolge kommen durch harte Arbeit. Mein Wille und strukturiertes Training haben mich zu dem starken Athleten gemacht, der ich heute bin. Aber viel wichtiger ist, dass ich mental stark bin und meine Rennen clever sind – das hält mich für eine lange Zeit an der Spitze dieses Sports. Ich bin ein intelligenter Mensch und ein sehr praktischer Planer und Denker. Das ist es, wie wir unsere Trainingsprinzipien erarbeitet haben und das ist es, wie wir unsere Rennen meistern, von Jahr zu Jahr. Ich habe ein großartiges Team an Leuten, mit denen ich über meine ganze Karriere weg gearbeitet habe. Mein Glauben in diese Leute ist meine treibende Kraft. Doping war für mich nie ein Thema, auch verschwende ich keine Energie darüber, ob meine Konkurrenten manipulieren. Ich bin nicht interessiert an Doping, die den gesamten Sinn und die körperlichen Erfahrungen des Ausdauersports zerstören. Ich bin neugierig zu wissen, wonach ich auf natürliche Weise streben kann und ich meinen Körper mit dieser Mentalität pushen kann. Synthetische Dinge sind ein feiger Akt und ich habe keinerlei Sympathie und nicht den Wunsch, mit solchen Leuten zu arbeiten, einfach weil sie die ganzen Freiheiten, die der Ausdauersport bietet, verdrängen. Ich denke nicht, dass irgend jemand jemals gedacht hat, ich betreibe Doping. Weil Leute, die mich kennen, wissen, wie meine Haltung zu Antidoping ist. Ich habe keine Zeit für solche Feiglinge, die sich dopen. Sie sind für mich Mitleid erregend. 

tri2b.com: Wenn du dich entscheiden müsstest zwischen der Weltrekordzeit in Roth (oder woanders) oder einem Sieg auf Hawaii – wie würdest du entscheiden? 
Macca: Ich denke, auf Hawaii den Weltrekord zu brechen, wäre ein Traum, den man haben sollte. Ich möchte den Weltrekord einfach haben, weil ich ihn noch nicht habe und ihn mir wünsche. Aber dafür brauch ich ein starkes Feld und eine Menge an talentierten Athleten, die zusammen das Rennen bestreiten. Ich habe den Rekord im vergangenen Jahr verpasst, aber andere, wie Thomas Hellriegel,haben mich auf dem Rad angetrieben. Leider waren nicht noch weitere Athleten dabei, die mich den ganzen Tag hindurch herausfordern und zu einer noch schnelleren Zeit antreiben konnten. Ich habe den Rekord um drei Minuten verpasst, aber ich glaube, es ist machbar. 

Das Rennen, wo ich es schaffen könnte, müsste alle Top-Guys dabei haben. Das einzige Rennen dieser Art ist derzeit Hawaii und die Hitze dort macht es zu einem schwierigen Event für eine ganze Menge talentierter Athleten. Ich denke, wenn Hawaii nicht jedes Jahr die IRONMAN-WM ausrichten würde, sondern die World Championships in einer Art Rotation auch in anderen Ländern stattfinden könnte, wäre das eine großartige Idee und man würde öfter über den Weltrekord sprechen. Es gibt außerdem auch einige Athleten mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, aber deren Voraussetzungen es einfach nicht erlauben, in Kona erfolgreich zu sein und die dort Chance haben, den Titel zu gewinnen. Athleten wie Jürgen Zäck oder Pauli Kiuri kommen mir da in Gedanken. Sie gehören zu den besten Langstrecklern in der Ironman-Geschichte, aber sie haben niemals Hawaii gewonnen. Das ist nicht richtig. 

Übersetzung aus dem Englischen: René Penno, tri2b-Redaktion