Wenke Kujala: Zeitenwende im Triathlon?

tri2b.com | 24.04.2023 um 10:14
Am Wochenende sind mit Patrick Lange und Florian Angert die Aushängeschilder des Erdinger Aktive Teams in die Saison 2023 gestartet. Für das Team-Management ist seit einigen Jahren Wenke Kujala zuständig, die viele Jahre selbst als Profiathletin unterwegs war und in einem Interview ihre Einschätzung zu den anstehenden Saisonhighlights und den aktuellen Veränderungen im Triathlon-Sport abgibt.

Frage: Der Saisonstart rückt näher. Was erwartest du von der Triathlon-Saison und von den Athleten und Athletinnen des Erdinger Active Teams?
Wenke Kujala (W.K.): Ich erwarte eine abwechslungsreiche und extrem spannende Saison mit einigen Highlights. Unsere Athleten und Athletinnen sind größtenteils gut durch den Winter gekommen. Ich bin mir recht sicher, dass wir beeindruckende Leistungen sehen werden. Durch die enorme Leistungsdichte sind die Rennen schwer kalkulierbar, versprechen aber durchweg Spannung. Für die Erdinger Active Team Athletinnen und Athleten sind die Highlights natürlich Roth, die Ironman-Rennen in Hamburg und Frankfurt, sowie die WM-Rennen in Nizza und auf Hawaii. 

Frage: Auf welches Rennen freust du dich ganz besonders?
W.K.: Ich freue mich wahnsinnig auf die PTO European Open auf Ibiza, die Challenge Roth, Nizza und Hawaii. Und natürlich auch auf Frankfurt und Hamburg. So viele Rennen mit hochklassiger Besetzung und in zum Teil völlig neuen Konstellationen.

Frage:
Nach den Jahren der Pandemie, wie hat sich der Triathlon-Sport verändert?
W.K.: Vor der Pandemie wurde eine Saison komplett durchgeplant. Dies ist heute oft nicht mehr der Fall. Die Altersklassen Athletinnen und Athleten suchen mehr das Abenteuer und möchten viele unterschiedliche Sportarten, Events und Formate ausprobieren. Nicht das Ergebnis, sondern das Erlebnis steht im Vordergrund. Durch die Pandemie haben viele Menschen Sport neu für sich entdeckt. Viele haben z. B. mit dem Radfahren, insbesondere mit dem Graveln begonnen. Ich kann mir gut vorstellen, dass dadurch neue Leute in den Triathlon kommen. Das wäre natürlich grandios.

Frage: In Deutschland hat man bei den Herren das Gefühl, dass sich nach Frodeno, Kienle, Lange & Co ein „Loch“ in der Spitze auftut. Wie siehst du die Entwicklung?
W.K.: Ich denke, dass die junge Garde deutscher Spitzentriathleten in den Startlöchern steht. Athleten wie Frederic Funk oder Mika Noodt sind längst keine Unbekannten mehr. Ob aber die Ironman-Distanz weiterhin eine so wichtige Rolle spielt, oder z. B. die PTO-Distanz diese Rolle übernimmt, wird sich zeigen. Davon hängt ab, welcher Athletentyp zukünftig die Fußstapfen ausfüllen will. Dass dies kein Kinderspiel wird, ist allen bewusst. Denn neben den sportlichen Leistungen spielt die Personality eine große Rolle. Es ist eine großartige Chance für den Sport, für die Athleten und für die Sponsoren.

Frage:
Die Startgelder steigen, die Ausrüstung wird immer teurer - siehst du die Gefahr, dass der Triathlon immer mehr zu einem Sport der „Reichen“ wird?
W.K.: Gute Frage. Natürlich gibt es immer Möglichkeiten, mit günstigem Material unterwegs zu sein. Aber wenn man ambitioniert ist, wird man sich dem Material-Hype nur schwer verwehren können. Also ja, die Gefahr besteht durchaus. Trotzdem glaube ich nicht, dass es dazu kommt. Denn um Triathlon zu machen, braucht es kein High-End-Material. Da zählt der Spaß an der Bewegung und vielleicht noch der Wille, sich zu challengen.

Frage:
Viele kleinere Triathlon-Veranstaltungen kämpfen um das Überleben. Es fehlen ehrenamtliche Helfer oder die kommunalen Auflagen werden immer strenger. Was bedeutet das für den Triathlon?
W.K.: Ich finde dies eine bedenkliche aber durchaus nachvollziehbare Entwicklung. Die kleinen Veranstaltungen bilden immer noch, wie die Vereine, die Basis für den Sport. Hier schnuppert man hinein, hier trifft man Freunde. Nicht umsonst heißt es: Sport verbindet. Ich kenne mittlerweile viele Sportlerinnen und Sportler, die gezielt auf kleinere Veranstaltungen gehen, um diese zu unterstützen. Das finde ich toll.

Frage: Wie siehst du die Entwicklung der Rolle der Frau im Triathlon und welche Potentiale sind vorhanden?
W.K.: Im Triathlon sind die Potentiale für Frauen riesig. Es ist ein Sport, in dem Frauen und Männer die gleichen Distanzen und eine ähnlich große öffentliche Aufmerksamkeit haben. Frauen können genauso erfolgreich sein wie Männer. Daher haben Frauen auch schon in der Vergangenheit eine nicht ganz unwichtige Rolle im Triathlon gespielt. In den letzten Monaten hat sich das sicher durch allgemeine gesellschaftliche Veränderungen und durch die Arbeit der PTO verstärkt. Bei Erdinger spielten Athletinnen schon früh eine große Rolle im Sponsoring.

Frage:
Wenn Du in die Zukunft blickst – was möchtest Du in fünf Jahren über den Triathlon-Sport sagen wollen?
W.K.: Das ist schwer zu sagen. Ich hoffe sehr, dass die wichtigsten Rennen wie Hawaii und Roth bestehen bleiben und dass die Visionen der PTO weiter umgesetzt werden. Selbstverständlich möchte ich auch sagen können, dass die deutschen Athletinnen und Athleten großartige Erfolge feiern. Denn sie befeuern die Leistungsentwicklung. Nachwuchssportlerinnen und Nachwuchssportler schauen auf, haben Vorbilder und wollen mindestens so gut werden. Und wenn die Top-Athletinnen und -Athleten Erfolge feiern, intensivieren Unternehmen ihr Engagement. Darüber hinaus wünsche ich mir, dass sich der Sport weiterentwickelt und in fünf Jahren noch genauso viele Menschen, Jung wie Alt, begeistert und für Fairness, Respekt und Zusammenhalt steht. Im Allgemeinen würde ich mir wünschen, dass mehr Menschen Sport treiben und aktiv sind.