40 minutes of glory: Mein Zofinger Duathlon-Drama

von Sven Weidner für tri2b.com | 06.09.2018 um 10:24
So dramatisch wie sich die Überschrift liest war auch mein Rennen beim Powerman Zofingen. Mit großen Ambitionen angereist steht am Ende ein 10. Gesamtplatz in der offenen Wertung der 30. Jubiläumsauflage ... Das ist natürlich wenig zufriedenstellend. Aber hätte ich gewinnen können? Vielleicht!? Hätte ich einen Podestplatz erreicht? Auf jeden Fall! Aber was ist passiert? Das könnt ihr im Folgenden lesen.

Eins vielleicht noch vorab: Bei all meinem Lamentieren: Zofingen ist eine tolle Veranstaltung, die nach den massiven Streckenänderungen noch mit einigen Kinderkrankheiten zu kämpfen hatte...

 

Die viel zitierte Schweizer Präzision bei der Pastaparty

 

Kommen wir nun zu meiner Geschichte J : Die Anreise aus Nordrhein-Westfalen nach Zofingen im Schweizer Kanton Aargau ging wirklich schnell und einfach von statten, sodass ich gut gelaunt am Donnerstagnachmittag ca. 20 km entfernt von Zofingen in der Unterkunft ankam. Noch schnell das Radmaterial auf einer 90 Minuten Runde getestet und für gut befunden und danach eingekauft und gekocht. Am Freitag dann die Startunterlagen abgeholt und die Pastaparty besucht. Hier gelten die Standards der Schweizer Bundesbahn: Punkt 18:00 Uhr Einlass zum Essen...keine Sekunde früher, keine Sekunde später. Es ist wirklich angenehm, wenn man sich zu 100% auf den Zeitplan der Veranstaltung verlassen kann!

Dann war auch schon der Samstag gekommen. Hier hieß es nochmals locker anschwitzen und danach zur Wettkampfbesprechung. Leider hat sich mein Vereinskollege auf seiner Trainingsrunde in den Schweizer Wäldern so sehr verlaufen, dass ich die Besprechung auf Deutsch verpasst habe. Naja egal...ich habe bis vor kurzem ja in den USA gelebt, da sollte Englisch auch kein Problem sein.

Erster Akt, die Spannung steigt: Nach einer ungewöhnlich ruhigen Nacht hieß es dann: Raceday! Wie sehr ich doch an solchen Tagen hadere, warum ich mich überhaupt angemeldet habe :D Es wäre doch viel besser das ganze aus dem warmen Bett via Livestream zu verfolgen, statt sich selber zu quälen. Allerdings hätte das Drama so nicht beginnen können...

 

Der Laufauftakt über 9,5 km: Die Beine sind gut!

 

Auf dem Gelände angekommen, hat der Check-In, das Umziehen und das Warmmachen super geklappt. Hier nochmal großes Lob an die Orga. In der Startaufstellung habe ich mich dann wieder gewundert, wer sich so alles in die erste Reihe gedrängelt hat :-/ selbst bei einer WM ist man nicht vor gnadenloser Selbstüberschätzung gefeit... Startschuss...einmal die 173 cm zur Briefmarke gefaltet und unter allen Ellenbögen auf die Nummer 1 geschoben. Nach 75 m läuft man dann direkt in die erste Wand. Wieso muss Sport nur so weh tun? Ich habe trotzdem den großen Gang stehen lassen und nach 800 m, kurz vorm Scheitel der Steigung, drehte ich mich das erste Mal herum, weil hinter mir einer wie wild rumschreite und plötzlich war da schon ein Loch von 50 m. Tja, die Beine waren gut und ich fing schon an die ersten der 2 min. vor uns gestarteten Läufer einzuholen... Also konnte die Entscheidung nur lauten: Tod oder Gladiolen! Nach 7 km war ich dann auch kurz vor dem Tod, als ein Schweizer Autofahrer entschied mit Vollgas in den Wald abzubiegen, wo ich gerade meine Runden drehte. Einmal links in das Grünzeug gehüpft und weiter ging es. Nach 35 min. war der erste Lauf dann auch Geschichte und ich konnte mich in Führung liegend sogar mal zum schnellsten Wechsel im Feld motivieren.

 

Auf dem Rad auf Abwegen - wie die 150 km doch noch voll werden

 

Zweiter Akt, das Drama in 151 km: 151 km? Ja, die Radstrecke hat sich geändert und ist eigentlich nur noch um die 140 km lang. Normalerweise ...Ich schoss also aus der Wechselzone, eleganter Sprung aufs Radel und ab ging die Post. Das Kopfsteinpflaster in der Altstadt ist definitiv nicht mein Favorit, aber zu fahren war es doch einigermaßen in Ordnung. Dann der erste Kreisel mit etwas indisponiert platzierten Streckenposten. Anstatt rechts fuhr ich also mit 40 km/h geradeaus durch den Kreisel einem offiziellen Motorrad hinterher. Nach 2 km denke ich mir, dass das hier unmöglich die richtige Strecke sein kann, aber keiner der Streckenposten (ich befand mich auf dem Streckenteil auf dem man später wieder zurückkommt) wies mich auf meine fragenden Gesten hin in die richtige Richtung zurück. Als das Motorrad mit dem Aufkleber „official“ dann auch noch wendet und mir der Fahrer freundlich zunickte, dachte ich, dass wohl doch alles in Ordnung sein muss und konzentrierte mich auf das Rennen. Nach 5 km tauchte dann der Bulli des Radservice auf und meinte: „Du bist falsch gefahren! Du musst umdrehen und zurück zum Kreisel!“. Ich darauf nur trocken: „Danke! Aber das Rennen ist jetzt für mich zu Ende und ich mache eine RTF nach Hause.“. Ohne den Radservice könntet ihr jetzt wahrscheinlich meinen Urlaubsbericht aus der Stiefelspitze Italiens lesen. Seis drum...

 

Während ich so Oberlenker fahrend Richtung Rennstrecke zurück gerollt bin, kam dann die Frage auf, ob ich nicht auch selbst Schuld an dem Schlamassel war (Kleine Info: Ich war beileibe nicht der Einzige, der dort falsch gefahren ist...). Dann kann ich natürlich auch nicht meine beiden mitgereisten Supporter mit einem Rennen von einer Stunde Länge enttäuschen. Also statt zurück in die Wechselzone zu rollen, habe ich mich entschieden die richtige Rennstrecke in Angriff zu nehmen. Mäßig motiviert fing ich an, die langsameren Starter einem nach dem Anderen einzusammeln, bis wir zum nächsten Kreisverkehr kamen. 100 m vor mir eine 5er Gruppe... 2 werden direkt falsch geleitet, die anderen 3 fahren um ein Haar ineinander, weil sie im letzten Moment realisieren, dass sie scharf rechts müssen. Ich so: „Das darf jawohl nicht wahr sein!? Egal, diesmal waren ja die Anderen die Leidtragenden. Zurück in der Stadt wurden dann mehrmals Autos und Camper sehr knapp vor uns auf die Straße gelassen, sodass man schon mal härter bremsen oder mit 20 km/h hinterher schleichen musste. Dann stand das erste Mal der Mühlberg auf dem Plan. Dieser ist der Scharfrichter der neuen Radstrecke und nicht der etwas höhere Williberg. Da werden die Beine eines Norddeutschen schon Mal richtig krumm beim hochstrampeln...leider wollte der doofe Anstieg gar kein Ende nehmen :D Oben dann der nächste unfreiwillige Halt. Zwei Motorradfahrer standen wild gestikulierend am Streckenrand und riefen: „Stop! Stop! The Bus is coming!“. Ich denke mir so: „Der Bus? Bin ich beim Inferno, wo der Postbus an der Großen Scheidegg seinen Fahrplan auf die Sekunde einhalten will? Niemand hat was von einem Bus erzählt!?“. All meine vorher kassierten Kontrahenten, fuhren einfach fröhlich weiter an mir vorbei ...Ich gucke den Motorradfahrer an und rufe: „Jaaaaaa, was ist denn jetzt? Anhalten oder weiterfahren?“. Er kurz und knapp: „Fahr vorsichtig weiter...“. Spätestens jetzt hatte ich das Norman-Stadler-Defcon-5-Niveau vom Ironman Hawaii 2005 erreicht www.youtube.com. Das Fahrrad war auch kurz davor fliegend mit der Kuhwiese im Sinne von Littering 2.0 Bekanntschaft zu machen, auch wenn es eigentlich gar keine Schuld an dem Dilemma hatte. Ich weiß gar nicht mehr wieso ich überhaupt weiter gefahren bin, aber eigentlich hatte ich gar keine Lust mehr. Das spiegelt sich auch an meinen Radrunden wieder. Die letzte Runde bin ich mit 140er Puls im GA1 dahin gerollt.

 

Ein niederländischer Schatten verfolgt mich

 

Nach Kilometer 132,77 (meiner Tachorechnung) dann eine Premiere! Der erste Wettkampfrichter! Wooooow, wir sind hier bei einer WM und ich habe einen niederländischen Schatten, der später sogar noch knapp Weltmeister in seiner Altersklasse werden sollte. Ich spare mir an dieser Stelle jetzt jeglichen weiteren Kommentar...Kurz vor dem 2. Wechsel musste ich mir dann überlegen, was ich eigentlich machen möchte... Aufgeben? Nein, eigentlich keine Option! Locker ins Ziel traben? Hmmmm, wieso eigentlich nicht? Es ging ja eh um nichts mehr. Dann habe ich an die Nachricht von Günther und Carmen (2 fleißige Blogleser J) gedacht und was soll ich sagen!? Sie haben mich an meiner Ehre gepackt. So konnte ich, den Wettkampf weder für mich, noch für jeden, der das Rennen verfolgte, stehen lassen.

 

Die finalen 30 Lauf-km: Der Suffer-Score steigt

 

Dritter Akt, das Grand Final: Also ging es mit neuem Elan in die Wechselzone. Dort schnell die Rennschlappen an und erstmal am Gashahn gedreht. Die erste Runde auf dem knüppelharten Laufkurs, der nach dieser Vorbelastung wohl härter als jeder Adventure-Lauf ist, ging eigentlich ganz gut von der Hand. Dort sah ich dann zufällig auch, dass die 3. Profifrau gerade ebenfalls kurzzeitig auf Abwegen war und laufend auf der Radstrecke umher irrte.

Da hier zwischen zwei Wendepunkten gependelt wird, kann man auch einschätzen, wie man im Feld liegt. Als ich dann gesehen habe, wie viele Leute noch vor mir waren, war das schon deprimierend :-/ Trotzdem waren die ersten 16 km noch in einem 4:15er Schnitt und das obwohl ich schon ab Runde 1 am steilsten Stück des Anstiegs gewandert bin, um die Beine nicht gleich ins Nirvana zu schicken. Man könnte die Laufstrecke auch mit einem Sargnagel vergleichen. In Runde 1 klopft man den Nagel vorsichtig an und alles ist noch in Ordnung. Während der 2. Runde wird der Nagel halb rein geschlagen und der Körper läuft nur noch im Überlebensmodus. In der 3. Runde wird der Nagel dann in einer Bewegung geschmeidig versenkt. Man ist so fertig am oberen Wendepunkt, dass die Augen über Kreuz gucken und man beim bergablaufen aufgrund des Laktats fast langsamer ist als bergauf. Ein Läufer würde jetzt sagen, dass es sich um eine geile Laufstrecke handelt.

Aber zurück zu meiner Erfahrung. Ein richtiges Highlight waren im Ziel die kleinen Kinder, die stundenlang ausharrten, um möglichst viele High Five zu verteilen. In solchen Momenten weiß man dann wieder, warum man sich das alles antut und aller Ärger ist von jetzt auf gleich verflogen.

Am Ende des Tages auf allen Laufrunden den schnellsten Split und nur das Radfahren hat das Ergebnis deutlich getrübt. Trotz dieser Enttäuschung meinerseits habe ich beim Verlassen der Siegerehrung schon ziemlich hart überlegt, ob ich mich nicht via "early bird"-Registrierung für das nächste Jahr anmelde. Die Strecken in Zofingen sind der Wahnsinn! Die Orga außerhalb des Rennens war definitiv einer WM würdig und ich bin mir sicher, dass diese Kinderkrankheiten aufgrund der fast komplett neuen Streckenführung nicht noch einmal auftreten werden. Schließlich kann man auf 30 Jahre Erfahrung zurückgreifen!

Jetzt heißt es erst einmal Beine hochlegen, bevor ich in die finalen Wettkämpfe des Jahres starte. In diesem Sinne: Bis demnächst, euer Sven