Svens laktatreiche Rückkehr nach SFO: Nach der Saison ist vor der Saison

von Sven Weidner für tri2b.com | 19.11.2018 um 11:25
Dem König Fußball verdanken wir so manch kuriose Weisheit, die sich glücklicherweise auch auf die Gegebenheiten im Triathlon ummünzen lassen. Allerdings stellt sich häufig die Frage, wie das Vakuum namens „Off-Season“ zwischen alten und zukünftigen Heldentaten gefüllt werden soll!? Da habe ich mir gedacht: Wieso nicht mal das Doppeldecker-Prinzip in den Wettkampf tragen?

Unter dem Begriff Doppeldecker verstehen viele Ultraläufer das Prinzip einen sehr langen Lauf in zwei lange Läufe zu teilen, um das Training erträglicher aber dennoch effizient zu gestalten. Nachdem ich im Frühjahr schon zweimal an einem Tag schnell durch Oakland geflitzt bin, habe ich mich gefragt, ob es nicht auch cool wäre an aufeinanderfolgenden Tagen die Rennsemmeln zu schnüren? Und wo kann man so ein Vorhaben besser realisieren als im mollig warmen San Francisco? 

Die Flugtickets zum Schnapperpreis (nicht teurer als ein round trip an die meisten Mittelmeerdestinationen) waren relativ fix gebucht. Die Auswahl der Läufe war dann allerdings nicht so leicht. Hier hieß es sich zu entscheiden, ob man sich mit dem Honey Badger anlegen möchte, um eine Multifunktions-Finisher-Medaille mit eingebauten Schraubenziehern zu erhalten oder ob man lieber den Teufelsberg plätten möchte. Letztlich fiel die Wahl auf den heißen Ritt hoch zum Gipfel des Mt. Diablo.

 

Der Mt. Diablo als erstes Ziel

 

Heiß ist hier auch ein gutes Stichwort, denn wie die meisten wohl mitbekommen haben, ist die Villa von Thomas Gottschalk aufgrund der von Hitze und Dürre bedingten Waldbränden zum Opfer gefallen. Nach einer Woche Urlaub mit viel gutem Essen und wenig seriösem Training hieß es dann bei 25 Grad um 8 Uhr morgens an der Startlinie zu stehen. Da war dann auch wieder das komplette Kontrastprogramm zum deutschen Volkslauf. Niemand wollte in der ersten Reihe stehen, sodass in den ersten 3 m hinter der ca. 5 m breiten Startlinie vielleicht 10 Leute standen. Nach dem Startschuss hieß es dann erstmal mit zwei anderen Läufern vorne raus laufen, um bei den folgenden Trails freie Sicht und Fahrt zu haben. Schnell hat sich dann der spätere Sieger abgesetzt, was mich aber wenig interessiert hat, da es nur um den Spaß ging. Aus diesem Grund habe ich auch auf das Studieren des Streckenprofils und -karte verzichtet. Glücklicherweise hatte ich mit meinem Partner einen Ortskundigen an meiner Seite (und ich wusste so nicht was mich erwartet).

So liefen wir dann auch Kilometer um Kilometer auf und ab. „Hmmmm wann geht es denn mal hoch zum Gipfel“ dachte ich mir nach ca. 5-6 km das erste Mal. Auf Nachfrage meinte Loren (mein Mitläufer) dann, dass dies der „einfache“ Teil der Strecke sei. „Ohhh man...worauf hast du Trottel dich nur hier eingelassen“ war mein erster Gedanke, während das Thermometer immer weiter Richtung 30 Grad kletterte. Als wir dann bei Kilometer 14 endlich die Stelle erreichten an denen die Halbmarathonis links zum Ziel abbogen, hatten wir 30 km-Läufer die Möglichkeit einen Pakt mit dem Teufel zu machen und auf die kürzere Distanz zu wechseln. Naja das Schlimmste war ja geschafft und deshalb ging es schnurstracks geradeaus dem Gipfel entgegen. Leider teilte mir Loren erst jetzt mit, dass nun die härtesten 3 Meilen anstünden...Cool...Schon ziemlich am Limit und es geht noch weiter rauf...Das hört man doch (un-)gerne. Irgendwie habe ich es dann in einem Mix aus Wandern und Laufen bis auf den Gipfel geschafft. Allerdings musste ich Loren aufgrund einer Pinkelpause ziehen lassen. Da es sich um eine Pendelstrecke hoch zum Gipfel handelte, konnte ich den Abstand zum Führenden das erste Mal abschätzen und war erstaunt, dass er gar nicht so weit weg war.

 

Im rasenden Downhill dem Ziel entgegen

 

Also hab ich auf der Abfahrt versucht, es so richtig laufen zu lassen. Hier war meine Schuhwahl mit den Rennschlappen dann definitiv nicht so smart. Mit den 10 km Rennsemmeln merkt man doch das eine oder andere Steinchen etwas stärker...Als ich zurück am Abzweig war, hatte ich fast schon wieder zu Loren aufgeschlossen. Leider war dann der Tank auch ziemlich leer. Es ist schon ein lustiges Gefühl wenn man mit Wackelpuddingbeinen versucht „schnell“ einen Berg runter zu laufen. Unten angekommen hieß es dann mit aller Macht Position 3 zu verteidigen, da Platz 2 außer Sichtweite gerückt ist. Am Ende stellte sich dann heraus dass der Kurs wohl eher 32 km hatte, was die ganze Angelegenheit nicht unbedingt spaßiger gemacht hat. So musste ich dann die letzten Asphaltblasen vor dem Ziel auch hochwandern in der Angst, dass der nächste Läufer mich jede Sekunde einkassieren könnte. Als der Zielbogen plötzlich hinter einer Kurve auftauchte habe ich mich dann auch beim Lächeln ertappt. Ziemlich glücklich habe ich mich dann über das ungesunde Eiscremebuffett hergemacht.

>>Die Ergebnisse des Diablo Summit Stomp 2018 ...

 

Ein Eisbecher als Motivation

 

Zu diesem Zeitpunkte hatte ich auch noch ziemlich erfolgreich ausgeblendet, dass ich für den Halbmarathon am Sonntag angemeldet war. Als ich nach einer kurzen Ruhepause vom Esstisch aufstehen wollte, um die Startunterlagen zu besorgen, musste ich feststellen, dass das Gehen nicht wirklich möglich war. Hätte ich nicht den weltberühmten Eisbecher mit Ghiradelli Schokolade in Aussicht gehabt, hätte ich das Ganze wohl sausen lassen und mir einen entspannten Sonntag gemacht. Das Aufstehen am Sonntag funktionierte dann doch besser als erwartet (aber dennoch eher schlecht als recht) und so ging es mit meiner Lieblingsbuslinie mal wieder Richtung Downtown, um mich zu quälen. Dort habe ich mich dann ziemlich spät in den Startblock bewegt und mir dabei gesagt, dass 1:40 Std. doch auch ein super Ergebnis wäre. Vor dem Start gab es die obligatorische Nationalhymne und nach dieser Version war dann wohl jeder Anwesende wach, weil das Blut aus den Ohren lief.

Mit dem darauf folgenden Startschuss habe ich mich mit der behäbigen Masse der Läufer in Bewegung gesetzt. Nach 100 m ging es dann die typischen steilen Straßen von San Francisco hoch. Meine Beine waren hellauf begeistert! Aber zum Glück bogen wir nach einem Block rechts Richtung Bay ab, sodass es direkt wieder abwärts ging. Dann ging es ziemlich nah am Wasser in Richtung des Golden Gate. Dabei haben wir auch Crissy Field passiert und ich wurde schmerzlich an meine Neujahrsleiden erinnert. Aber umdrehen war halt auch keine Alternative, weshalb es Schritt um Schritt nach Norden ging. Dann kam der kurze aber knackige Anstieg hoch zum Wahrzeichen der Stadt. Es ist schon richtig cool, wenn man den kompletten Gehweg für sich hat. Wobei man definitiv keine Höhenangst haben sollte. Auf der anderen Seite wurde einmal der Aussichtspunkt angelaufen.

 

Zweimal über die Golden Gate


 Wooow SFO bei Sonnenaufgang und leichtem Nebel ist vielleicht mit das Schönste, was ich je gesehen habe. Leider musste wir dann einmal unter der Brücke her und auf der anderen Seite zurück. Hier habe ich dann beschlossen, dass ich gerne freier Laufen würde. Also kurz gestoppt und verpflegt und dann den zweiten Gang eingelegt. Ab Mitte der Brücke hat ich die wunderschöne Aussicht ganz für mich allein. Als es von der Golden Gate Bridge runter ging fiel mir auf, dass ich durchaus noch unter 1:30 Std laufen könnte, wenn ich noch etwas aufdrehe. Natürlich war ich so doof und habe mich dafür entschieden. Als Belohnung bin ich nach 1:30:22 Std. über die Ziellinie gelaufen und habe einen unbedeutenden 36. Platz von 3.192 Startern belegt. Gewonnen habe ich den schlimmsten Muskelkater seit Jahren! Wobei ich jetzt mit 1,5 Wochen Abstand sagen muss, dass ich diesen Doppeldecker nochmal laufen würde J

>>Die Ergebnisse des Golden Gate Half 2018 ...

Bis demnächst ;) Viele Grüße Sven