Richard McAinsh: Integration ist die Zukunft beim Fahrradlenker (Teil 2)

von Stefan Drexl für tri2b.com | 21.01.2012 um 00:00
tri2b.com: Zu Beginn wurden die Aerolenker für eine bequemere und aerodynamischere Position des Athleten auf seinem Rad entwickelt. Heutzutage sehen die Lenker mehr und mehr wie Teile eines Flugzeugs aus und wirken sehr filigran. Folgt denn das Design nach wie vor der Funktion oder wird heute eher vom Athleten erwartet, sich an den aktuellen Stand der Technik anzupassen?


R.M.: Die Passform ist ausschlaggebend für die Leistung des Fahrers, so dass wir sie als wichtigen Bestandteil bei der Formgebung berücksichtigen müssen. Im Triathlon, zum Beispiel, sitzt der Athlet über vier, fünf, oder mehr Stunden in seiner Aeroposition. Wir könnten ihn zu einer extremeren Aero-Position zwingen und somit die Radzwischenzeiten deutlich verkürzen, aber der Athlet wäre dann nicht mehr fürs Laufen zu gebrauchen. Für diesen Markt berücksichtigen wir nun, welche Aerolenker wir machen können, um dem Athleten zu helfen, schneller zu laufen! Ausserdem muss man die Unterschiede von Kurz- und Langdistanzen beachten. Das ist eine enorme Herausforderung, um das richtige Equipment zu erhalten. Daher haben wir den Zefiro eingeführt, ein aerodynamischer Rennradlenker, mit der einmaligen PiWing-Hand-Unterstützung. Dieser Lenker wird zunehmend beliebter, weil Kurzdistanz-Triathleten das Konzept zunehmend verstehen.

Für einen Zeitfahrrennen, wo der Fahrer eine extremere Position über einen kürzeren Zeitraum einnehmen kann und im Anschluss eine Massage bekommt, ist das natürlich nicht so bedeutend. Für diesen Fall brauchen wir die maximale Aerodynamik und den Fahrer in einer Sitzposition, wo er für ungefähr eine Stunde so gut wie möglich seine maximale Leistungsfähigkeit erreicht.

tri2b.com: Wie steht es um die Festigkeit eines Aerolenkers, ist er denn ähnlich belastbar wie ein Rennradlenker?
R.M.: Im Allgemeinen ist die Belastung bei einem Aerolenker deutlich geringer als bei einem Rennradlenker. Zwar wird auf den ersten Metern der Strecke, wo der Fahrer stark beschleunigt, ziemlich daran gezogen, wie auch auf welligen Kursen, jedoch erreichen die Belastungen gewöhnlich nicht die Stärke, wie wir sie bei einem Rennradlenker berücksichtigen müssen. Manche Fahrer zerren allerdings ziemlich stark an den Aufsätzen und deren Verbindungen zum Lenker, einem kritischen Punkt der Konstruktion. Für Aerolenker gibt es jedoch keinerlei technische Produktprüfungen, wie die CEN für Rennräder, daher machen wir unsere eigenen intensiven Belastungstests, um uns ganz sicher von der Widerstandsfähigkeit der Lenker zu überzeugen.

tri2b.com: Man kann sich vorstellen, dass es ziemlich schwierig ist, nur den Blick auf die Entwicklung eines Lenkers zu richten. Wäre es nicht einfacher, sich dem kompletten System zu widmen, wie dem Lenker zusammen mit dem Rahmen und eventuell sogar mit dem Athleten?
R.M.: Aber natürlich! Dieser Denkansatz könnte in der Tat einige großartige Verbesserungen mit sich bringen. Wir könnten Lenker formen, die vielleicht nicht unbedingt einen geringeren Luftwiderstand haben, dafür aber besser mit dem Rahmen dahinter zusammenarbeiten, so dass sämtliche Luftwiderstandswerte deutlich sinken. Es ist dennoch schwer, das in der Praxis umzusetzen. Der Fahrer ist die Hauptkomponente in diesem System und sein Einfluss überwiegt bei weitem jede andere Komponente, so dass das gesamte System für jeden individuell maßgeschneidert werden müsste. Das wäre extrem teuer zu realisieren und herzustellen. Das erinnert mich eher an meine Motorsporttage, wo Geld keine Rolle spielt! Man bräuchte das Budget der Formel 1, um ein Rad zu bekommen.

tri2b.com: Hast du schon einmal daran gedacht, ein komplettes Rad zu entwerfen und zu entwickeln?
R.M.: 3T wird keine kompletten Rennräder entwickeln, das würde sonst bedeuten, dass wir mit unseren Kunden konkurrieren, welche die Spezialisten im Rahmenbau sind. Dennoch teilen wir gerne unsere technischen Kompetenzen in CAD, in der Verbundbauweise und der Aerodynamik, um unsere Partner bei der Entwicklung zu unterstützen. Das gibt uns somit auch eine gewisse Möglichkeit das ideale System zu entwerfen, über das wir zuvor gesprochen haben.

tri2b.com: Was ist für dich bisher die größte Innovation in der Entwicklung von Zeitfahrrädern, insbesondere von Aerolenkern?
R.M.: (lacht...)Das ist eine gute Frage für einen Rennrad-Neuling! Ich denke, dass es die Einführung von Verbundwerkstoffen war, oder? Das hat den Blick in der Entwicklung des Rennrades zu einem leichtgewichtigen Fortbewegungsmittel gelenkt. Ausserhalb von Wettkämpfen wird das einen noch größeren Nutzen haben. Was wir heute über die Entwicklung und Herstellung von Rennrädern lernen, wird ganz bestimmt Auswirkungen nach unten haben. Ich glaube nicht, dass es zukünftig eine Technik, wie es die Herstellung von Impec-Rahmen ist (Carbonrohre in Verbindung mit Alu-Muffen), nur für hochwertige Wettkampfräder geben wird. Als ich zu 3T kam, war ich davon überzeugt, dass wir unbedingt die selben Gestaltungswerkzeuge und die gleiche Menge Ingenieure brauchen, wie ich es von meiner Arbeit in der Formel 1 gewohnt war und wir haben daraufhin unseren intelligenten Produktionskreislauf der ständigen Weiterentwicklung, der Analyse und des Tests der Komponenten eingeführt. Als dann weitere moderne Techniken in die Bike-Industrie eingeführt wurden, hat man es schon, wie ich denke, als innovativ, wenn nicht sogar als führend angesehen, dass wir die Entwicklung von Lenkern auf so hohem Niveau betrieben, um mit den Rahmenbauern Schritt zu halten.

tri2b.com: In welche Richtung werden Design und Entwicklung in Zukunft gehen?
R.M.: Integration, denke ich. Mit der Di2 von Shimano wurde das Mitführen einer zusätzlichen Stromversorgung an Rennrädern sehr schnell angenommen. Wenn man das nun auf andere Bereiche überträgt, so ergeben sich eine Menge Elemente, die sich an dem Rennrad verbauen lassen: Kraftmesser und Befindlichkeitssüberwachung (von Fahrer und Rad), GPS, Licht, etc. Ich persönliche hoffe ja, dass demnächst Scheibenbremsen für Rennräder zugelassen werden. Da man kürzlich die Regelung für Crossrennen gelockert hatte, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung getan. 3T hat auf diese Regeländerung bereits eine Antwort mit der ersten, für CX Scheiben kompatiblen Gabel und einem dazu passenden Lenker. Ich hoffe die UCI wird diesen Aufwand auch zu schätzen wissen und das entsprechend unterstützen! Damit hätten wir dann einen hydraulischen Kreislauf am Rennrad, der wiederum weitere Funktionen steuern könnte. Das würde auch ungeahnte Möglichkeiten für die Entwicklung von Felgen, Rahmen und Gabeln eröffnen und für einige Veränderungen der Aerodynamik...