Mit 27 Gels aufs Schilthorn

von tri2b.com | 03.09.2021 um 19:39
Thomas Künzler aus dem tri2b.com A|N Triathlonteam hat sich für die Saison 2021 den Inferno Triathlon im Berner Oberland als sein Saison-Highlight nach der langen Corona-Pause ausgesucht. Das Rennen, das am Thuner See mit dem Schwimmen starten und nach insgesamt 5.500 Höhenmetern auf dem 2.970 Meter hohen Schilthorn endet, dort vor einst James Bond im „Geheimdienst Ihrer Majestät“ im Einsatz war, gilt in der Szene längst als legendär. Thomas hat uns hier seinen eindrucksvollen Erfahrungsbericht aufgeschrieben.

Die Wetterbedingungen waren für den Tag als ideal vorausgesagt mit wolkenlos und kaum Wind. Um 4:15 ging es aus dem Bett und direkt etwas Weißbrot mit Butter und Honig gegessen, dazu etwas O-Saft und ein Schüttelkaffee. Da das Hotel direkt beim Start lag, konnte ich entspannt noch etwas ruhen und mich mental auf den Wettkampf vorbereiten. Bis wir um 6:00 Uhr zum Start losgelaufen sind, habe ich noch etwas an der Flasche mit Xenofit Iso genippt. Kurz vor dem Start noch ein Xenofit Hydrogel (26g KH) genommen und um 6:30 ging es dann bei 15° Luft- und 17° Wassertemperatur los. Ich bin außen gestartet und konnte so ungestört in einen Rhythmus kommen. Die Orientierung war nicht ganz einfach, da es sehr wenig Bojen hatte. Mit einem guten Gefühl konnte ich die Strecke durchschwimmen und brauchte ca. 1:06 Std. Gemäß Veranstalter waren es 3,1 km und das GPS hat sogar 3.4 km aufgezeichnet. So oder so bin ich mit dem wenigen Schwimmtraining sehr zufrieden mit der Zeit.

 

Der Schlüssel zum Erfolg: Ein strikter Ernährungsplan

 

In der Wechselzone wieder ein Xenofit Hydrogel angesagt und dann gings ab aufs Rennrad. Auf dem Rennrad hatte ich 2 x 0.8 l Wasser und es war für mich das Wichtigste, sicher ein Bidon pro Stunde zu trinken. Nach der ersten ½ Stunde ging es dann los mit einem weiteren Gel mit dem Ziel, den ganzen Wettkampf konsequent 1 Gel pro halbe Stunde zu nehmen was 52g KH/h entsprach. Die Verpflegungsstellen waren so verteilt, dass es grad aufgehen müsste mit 2 x 0.8l Bidon auf 2 Stunden. Leider habe ich zu spät gemerkt, dass es an den Verpflegungsstationen nur 0.5 l Bidon gab. Vorher gewusst, hätte ich meine bestehenden Bidons auffüllen lassen. Leider hatte ich schon einen weggeworfen und bin mit 1 x 0.8 und 1 x 0.5 l weitergefahren. So habe ich dann entschieden, eine Zwischenauffüllung am Brunnen zu machen. Ich musste auch noch recht häufig pinkeln gehen J. Die Beine waren von Beginn gut und da es gleich beim Start länger hoch ging, habe ich versucht, nicht zu weit über 200 Watt zu sein und vor allem möglichst noch unter 130 HF zu bleiben. Bis zum Aufstieg auf die Große Scheidegg gelang mir das auch gut. Auch der Schlussaufstieg ging problemlos und die Abfahrt hat dann so richtig Spaß gemacht.

 Mit dem Roadbike auf die Große Scheidegg - © alphafoto.com

 

Viel Fun beim MTB-Downhill in Richtung Lauterbrunnen

 

Auf dem MTB ging es dann auch gleich in die Steigung. Der Plan mit 2 x 26g KH/h konnte ich konsequent weiterziehen und es ging mir gut. Es ging grad auf, dass ich in der Wechselzone ein Gel nehmen konnte. Der Puls hat sich auch auf dem MTB schnell bei ca. 130 eingependelt und das konnte ich auch halten. Nach einiger Zeit merkte ich aber auch, dass nicht viel mehr möglich ist und sich doch eine gewisse Müdigkeit einstellte. Trotzdem konnte ich das ganz gut in Richtung Kleiner Scheidegg hochziehen. In den oberen sehr steilen Passagen bin ich dann schnell abgestiegen und gelaufen. Da war ich auch bei weitem nicht der EinzigeJ. Auch der Ernährungsplan konnte konsequent weiter durchgezogen werden. Die Abfahrt machte auch richtig Spaß. Im letzten Drittel hatte es kurze Single-Trail Abschnitte, die ich gelaufen bin, aber der letzte Teil war nochmals schön zu fahren, bevor es dann von Lauterbrunnen nur leicht bergan nach Stechelberg ging. Auch in dieser fast flachen Passage hatte ich noch schön Druck bei den angepeilten HF 130.

 Legendär: Die MTB-Strecke des Inferno - fast im Schatten der Eiger Nordwand - © alphafoto.com

 

Das Toilettenhäuschen ruft

 

Fürs Laufen habe ich dann gleich wieder ein Gel aufgenommen, um den Ernährungsplan weiterzuziehen. Außerdem hatte ich ein Trinkgürtel mit einer 0.5l Flasche Wasser dabei, um unabhängig zu sein. Der Start verlief gut, aber nach ca. 4 km bekam ich den üblichen Druck in der oberen Magengegend. Ich hatte es mit mehr Wasser versucht, da ich sicher war, dass es nicht an der Energiemenge lag. Leider half das nicht. Dann bin ich in ein ToiToi und dachte, da muss etwas raus. Es hat mich zwar gewürgt, aber es kam nichts raus. Das heißt, die Gels wurden definitiv verarbeitet, was mich in meinem Plan bestätigte. Tatsächlich war es auch so, dass mich das entspannte und ich dann mit einem guten Gefühl weiterrennen konnte. Bei Lauterbrunnen ging es dann in die lange konstante Straßensteigung, welche ich vom Test her kannte, dass es mit leichtem Joggen ging. Das konnte ich dann tatsächlich auch sehr weit hochziehen und nur kurz vor dem Abzweiger in den steilen Singletrail bin ich schon ins schnelle Wandern übergegangen. Dieser Singletrail bis Grütschalp ging dann eh nur noch mit schnellem Wandern. Auf der Grütschalp kam dann auch die nächste Verpflegungsstation und es war gleich auch das nächste Gel im Zeitplan. Ich habe dann Cola gesehen und dachte, Cola wäre mal eine Abwechslung. Jaaaaaa, ich weiß, Du hast mir gesagt – NICHT MISCHEN! Ich musste es bitterlich erfahren und kaum später war ich in den Büschen J Es würgte mich erbärmlich, aber es kam nichts raus. Zum Glück waren gerade keine Wanderer in der Nähe und mussten sich das mit ansehenJ. Es ging mir dann aber schnell wieder gut und ich konnte die Ebene von Grütschalp in Richtung Mürren eine schöne Pace rennen. Auch nahm ich schnell wieder ein Gel und war damit auch gleich wieder im Zeitplan.

 

Der Fight ums Zeitlimit

 

Der andere Zeitplan machte mir dann aber eher langsam etwas Sorgen. Ich hatte die Uhrzeit nicht im Blickfeld, wusste aber vom Gefühl her, dass die 18:00 Durchgangszeit in Mürren knapp werden. Entsprechend bin ich dann die Strecke gerannt in der Hoffnung, es reicht noch. Durch Mürren bis zum Kontrollpunkt war dann richtig cool, da man von allen Seiten angefeuert wurde J Meine Familie erwartete mich schon und ein Schiedsrichter hat mit mir dann bezüglich meines Zustandes ein Interview geführt und hat mich dann weitergelassen. Alles sehr freundlich und wirklich top organisiert. Man fühlte sich als Athlet sehr gut aufgehoben und in guten Händen. In kurzer Absprache mit der Familie habe ich mich dann für den Schlussanstieg entschieden, da ich wusste, dass es der schönste Teil mit zügigem Wandern war und ich mich noch gut fühlte. Im Nachhinein habe ich dann erfahren, dass ich schon etwas zu spät war und sie schon um 17:40 begonnen haben, diese Interviews zu machen. Da es aber doch sehr warm war und offensichtlich alle etwas länger hatten, waren sie um einige Minuten kulanter J. Zu meiner absoluten Überraschung wurde mir eine „Besenfrau“ zugeteilt, welche mich zum Schilthorn begleitet. Wahnsinn J Wir sind dann also zügig losmarschiert und hatten uns locker unterhalten. Schnell hatten wir dann weitere Athleten überholt und sie blieb dann bei ihnen und ich bin dann allein weitergezogen. Ich konnte weiter bei meinen Gel-Plan bleiben und konnte dank des Trinkgürtels auch immer bei Bedarf Wasser zu mir nehmen, welche ich bei den Verpflegungsstationen wieder nachfüllte. Irgendwann lief ich dann auf einen weiteren „Besenmann“ auf und bin dann eine Weile plaudernd mit ihm hochgezogen, bis wir weitere Athleten überholt hatten, bei welchen er dann geblieben ist. Beim letzten Kontrollpunkt (19:30 Uhr) wurde es dann nochmals spannend, ob sie uns passieren lassen. Dann lief ich auf eine Vierergruppe auf und schweigend sind wir zusammen hochgezogen. Schon eine ¾ Stunde vor dem Ziel hörten wir die Zuschauer, die die Ankommenden auf der Gipfelstation des Schildhorns anfeuerten und langsam kam auch bei mir die Vorfreude auf den Zieleinlauf auf. Noch vor dem letzten Aufstieg ins Ziel habe ich nochmals ein Gel genommen, um nicht komplett leer anzukommen. Dann der Zieleinlauf mit meinen beiden Jungs bei nach wie vor bestem Wetter – ein unbeschreibliches Gefühl und definitiv der Beste in 20 Jahren Wettkämpfen! Nach 13:44 Stunden und 27 Gels!

 

Der Inferno ist fast nicht zu toppen

 

Fazit für mich selbst ist, dass ich eigentlich alles richtig gemacht habe. Auch die Ernährung hat unter dem Strich bestens funktioniert. 52g KH pro Stunde könnte passen und genügend Wasser ist der Schlüssel. Wahrscheinlich war zu wenig Wasser das Problem bis jetzt in all den vergangenen Wettkämpfen. Bezüglich 52g KH pro Stunde hatte ich mehrmals das Gefühl, dass es tendenziell eher unteres Limit war, habe mich aber nicht getraut, von diesem Plan abzuweichen. Wahrscheinlich könnte ich etwas mehr verarbeiten, wenn ich eben genügend Wasser trinke. Top war wirklich, dass mir die Gels bis zum Schluss in keiner Weise widerstanden sind.

Emotionales Finish auf dem Schilthorn - © Privat

Final muss ich leide sagen, dass eine normale Langdistanz im Vergleich zum Inferno direkt langweilig ist und es deshalb schwierig wird, das zu toppen!!!