Anabel Knoll: In Tokio kann ich nur überraschen

Harald Eggebrecht für tri2b.com | 15.07.2021 um 09:43
Die Ingolstädterin Anabel Knoll hatten bei der internen DTU-Olympiaausscheidung in Kienbaum wohl nur wenige auf der Rechnung, obwohl sie kurz zuvor Vierte beim Europacup in Caorle wurde. Doch die 25-Jährige gewann am Ende den Supersprint mit der klaren Tagesbestzeit und sicherte sich so das noch vakante Olympia-Ticket. Für Tokio sieht sich die Bayerin in der Außenseiterrolle, die sich in einem Trainingslager in Italien den letzten Schliff vor der Abreise in Richtung Japan geholt hat. Im Interview gibt Anabel Knoll Einblicke in das besondere Trainerverhältnis zu Vater Roland, äußerte sich zur Wertschätzung der Kurzdistanz in Deutschland und verrät auch ihr Ziel für das olympische Einzelrennen am 27. Juli.

tri2b.com: Nach der Olympiaquali in Kienbaum war zu lesen, dass du dir damit einen Lebenstraum erfüllt hast. Wie liefen die letzten Wochen nach der Quali mit dem „Traum“ in der Tasche?
Anabel Knoll (A.K.): Ich habe versucht, mir einfach nicht so viel Druck zu machen und mein Training sauber durchzuziehen. Wir haben schon nochmal einiges an Training absolviert. Es stand ein Trainingslager in der Toskana an, aber so viel lässt sich halt in diesen wenigen Wochen bis zu den Rennen in Tokio auch nicht mehr ausrichten.

tri2b.com: Du warst in Kienbaum in der Lage am Tag X eine Topleistung abzuliefern. Was erwartest du jetzt am 27. Juli im olympischen Einzelrennen von dir?
A.K.: Es ist wirklich schwer für mich einzuschätzen, was im Einzelrennen möglich ist, da ich bisher eigentlich noch nicht gegen die ganz großen Namen in so einem bedeutenden Rennen gestartet bin und mir da die Erfahrung fehlt. Ich möchte einfach ein supergutes Rennen abliefern und danach zu mir sagen können, okay das war alles was an diesem Tag eben drin war. So ein kleines Ziel von mir ist es auf jeden Fall unter die bessere Hälfte zu kommen. Ich hoffe sehr, dass das auch klappt.

tri2b.com: Laura Lindemann gehört zum Kreis der erweiterten Medaillen-Favoriten und wird deshalb entsprechend im Fokus der Medien stehen. Du kannst also unter dem Radar agieren. Ist das ein Vorteil? Wie siehst du diese Situation?
A.K.: Ich denke schon das es ein Vorteil ist, wenn man nicht so im Fokus steht. So habe ich eben nicht diesen Druck und muss nicht zur mir sagen, hier muss ich jetzt unbedingt gut sein. Insbesondere weil es mein erstes ganz großes Rennen ist. So ist es vielleicht für mich gut zu wissen, es schauen nicht alle unbedingt auf mich und erwarten was von mir. Ich kann nur überraschen und eigentlich nicht enttäuschen.

tri2b.com: Dein Vater Roland hat 2008 Jan Frodeno zum Olympia-Sieg geführt, der gleichzeitig dein Trainer ist. Was ist anders, wenn der eigene Vater auch der Trainer ist?
A.K.: Ich würde sagen, dass wir natürlich eine engere Bindung zueinander haben. Und man hat natürlich den direkteren Draht zueinander und wir telefonieren sicher öfter als es mit „normalen“ Athleten der Fall ist. Ich versuche auch sehr viel von seiner Erfahrung zu profitieren, was natürlich jetzt ab und zu mal in kleineren Diskussionen endet, weil wir beide doch etwas stur sind. Im Großen und Ganzen funktioniert das aber einfach super und ich kann mir auch gar keinen anderen Trainer vorstellen.

tri2b.com: Rund um Olympia wird sicher wieder die Diskussion zum Vergleich Kurz- zu Langdistanz aufkommen. Wie siehst du als junge Athletin diese Situation und die Wertschätzung im „Triathlon-Langdistanz-Land Deutschland“?
A.K.: Also die Wertschätzung für die Kurzdistanz ist in Deutschland für mich eigentlich gar nicht da. Ich habe das jetzt gerade erst wieder gemerkt bei meiner Suche nach Sponsoren. Es ist einfach viel schwerer als Kurzdistanz-Athletin Sponsoren zu finden, während auf der Langdistanz die Unterstützung gefühlt hinterhergeworfen wird. Das zeigt sich auch in der Situation: Was du machst Triathlon? Machst du dann auch Mitteldistanz und Ironman? Ich finde das sehr schade, weil Kurz- und Langdistanz mittlerweile einfach zwei komplett verschiedene Sportarten sind. Das ist ein bisschen so, als würde man den 100 m-Lauf mit einem Marathon vergleichen. Da sagt ja auch keiner, du bist Läufer, wieso machst du nur das eine. Ich hoffe, dass sich das jetzt mit Olympia und den Übertragungen vielleicht etwas ändert mit der Wahrnehmung. Kurzdistanz ist einfach superspannend, gerade auch die erstmals bei Olympia ausgetragene Mixed Relay. Wenn wir da jetzt vielleicht auch ein richtig supergutes Rennen zeigen, dann ist das sicher auch gut für die Wertschätzung der Kurzdistanz in Deutschland.

tri2b.com: Ein Tipp zum Abschluss: Wie sieht das Männer-Podium in Tokio aus?
A.K.: Das kann ich wirklich gar nicht einschätzen. Ich glaube, dass fast jeder eine Chance aufs Podium hat. Olympia ist immer für Überraschungen gut und es wird sicher ein sehr, sehr spannendes Rennen.