Safety first: Wiedereinstieg ins Freiwasserschwimmen bei kaltem Wasser

von Marco Henrichs für tri2b.com | 12.04.2021 um 14:21
Den meisten von uns sehnt es sich in dieser langen Corona-Zwangspause endlich wieder ins Wasser gehen zu können. Jedoch sind die Wassertemperaturen in Deutschland, Österreich und Schweiz aktuell alles andere als einladend. Schwimmen im kalten Freiwasser ist nicht ungefährlich und bringt leider auch einige Gefahren mit sich. Zu den Gefahren gehören Fehleinschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit im kalten Wasser, plötzliche Änderung der Witterungsverhältnisse sowie die üblichen Gefahren im Freiwasser wie Strömungsverhältnisse, Wellen, Unterwasserströmungen, schlagartiger Temperatursturz, fremde Boote oder Surfer und vieles mehr.

Gerade wenn der Körper die häufig kalten Bedingungen nicht kennt, kann das leider böse enden. Diese Gefahr ist vielen nicht bewusst. Ich werde häufig gefragt, ab wann es gesundheitlich okay ist, im Freiwasser zu schwimmen. Jedoch gibt es leider keinen fixen Temperaturwert, ab wann es geht oder nicht geht bzw., ab wann es gefährlich für die Gesundheit sein könnte.

 

Nicht jeder ist ein Eisschwimmer - Kältegewöhnung und keinen falschen Ehrgeiz

 

Wer kennt sie nicht die Eisschwimmer die stolz ihre Trainingseinheiten bei kalten Wassertemperaturen veröffentlichen? Bei allem Respekt vor dieser Leistung, jedoch ist nicht jeder Körper in der Lage das zu leisten. Triathleten haben gegenüber diesen Kälteexperten einen elementar wichtigen Nachteil. Der Fettanteil, der vor der Kälte schützt, in dem Fall der eigene „Biopren“, ist bei Triathleten weitaus geringer als bei Eisschwimmern. Also so wie nicht jeder Triathlet mit besten Trainingsbedingungen einen Ironman unter 8 Stunden absolvieren kann oder keinen Marathon unter 2:30 Stunden laufen, gibt es auch hier körperliche Grenzen, die ihr respektieren solltet.

Gerade der Kopf, die Hände und die Füße sind sehr kälteempfindlich. Gewöhnt ihr euren Körper jedoch an kältere Bedingungen, könnt ihr die Kälte ganz anders kompensieren. Die Gewöhnungsphase geht aber nicht von heute auf morgen, sondern ist ein langfristiger Prozess von vielen Monaten. Es empfiehlt sich dabei beispielsweise nur noch ausschließlich kalt zu duschen oder ab und an ein Kältebad zu nehmen.

 

 Es passiert schneller als man denkt – vorbereitet sein

 

Neben meinem Leben als Schwimmtrainer mit Schwerpunkt Freiwasserschwimmen war ich bis 2015 20 Jahre lang Berufsfeuerwehrmann, Rettungsschwimmer und auch Rettungsassistent. In dieser Zeit habe ich leider auch einige Schwimmer/Schwimmerinnen aus dem Rhein oder aus Seen retten müssen, die sich entweder selbst überschätzt haben oder bei denen es zu einem Unfall gekommen ist. Das betraf leider auch geübte Schwimmer/Schwimmerinnen, die sich schlichtweg überschätzt hatten – bis hin zu Todesfällen. Wenn es zu einem Zwischenfall gekommen ist, aber es glimpflich geendet hat, waren die Betroffenen verständlicherweise mit der Situation häufig überfordert und vor allem nicht vorbereitet.

 

Damit euch das nicht passiert, solltet ihr auf diese Punkte im Freiwassertraining achten:

 

  1. Macht euch „im Vorfeld“ einen gedanklichen Plan was ihr tun müsst, wenn es zu einem Zwischenfall kommt. Wo ist beispielsweise euer genauer Standort, um es der Feuerwehr- und Rettungsdienstleitstelle (Notruf Deutschland 112, Österreich 122 oder 144, Schweiz 118 oder 144) mitteilen zu können: An welchem Kilometerabschnitt am Kanal oder Fluss oder an welcher Uferseite am See mit markanten Punkten trainiert ihr beispielsweise gerade. Das sind für die Feuerwehr- und Rettungsdienstleitstelle mit die wichtigsten Informationen, um euch zeitnah Hilfe entsenden zu können.

  2. Wenn ihr es nicht gewohnt seid im kalten Wasser zu schwimmen, dann seid mindestens zu zweit, damit ihr euch gegenseitig helfen könnt, falls es zu einem Zwischenfall kommt. Bestenfalls begleitet euch eine Person mit Stand-Up Paddle.

  3. Bevor ihr los schwimmt, akklimatisiert euch in Ufernähe erst im kalten Wasser für ein bis zwei Minuten. Rechnet jederzeit mit teilweise starken Temperaturschwankungen im Wasser, während ihr schwimmt.

  4. Egal ob ihr alleine oder zu zweit seid, schwimmt grundsätzlich nur mit einer Schwimmboje. So habt ihr die Möglichkeit, euch bei einem Zwischenfall festzuhalten. Außerdem werdet ihr schneller von herannahenden Booten, Surfer etc. gesehen. Ein weiterer Vorteil einer Schwimmboje ist, dass ihr auch euer Mobiltelefon darin sicher transportieren könnt, um somit im Notfall einen Notruf absetzen zu können. Lasst euer Handy dafür an, damit ihr nicht unnötig Zeit verliert.

  5. Schwimmt nur in Ufernähe und kurze Strecken in Wiederholungen. Also: Lieber 5 x 400 m (200 m bis zum Fixpunkt und zurück beispielsweise) schwimmen als 1.000 m weg vom Ufer zu sein. Denn: Im letzteren Fall seid ihr weitaus gefährdeter.

  6. Legt euch am Ufer warme Sachen bereit, um nicht auszukühlen.

Fazit: Auch Schwimmen im Freiwasser kann viel Freude bereiten, aber bitte immer mit Vorsicht und nichts riskieren.

Viel Freude beim Training wünscht Marco Henrichs - © Marco Henrichs

  • RUS Schwimmtrainer (Schwerpunkt Freiwasser, Langstrecke und Kraulsprint) / MadWave Schwimmteam Russische Föderation
  • WEB: www.h2o-bloxx.com
  • Autor: „Kraultechnik – Mit mehr Individualität zum Erfolg“
  • Mitglied im Deutsch-Russischen Forum e.V