Justus Nieschlag: Am Tag X muss einfach alles stimmen

Harald Eggebrecht für tri2b.com | 15.12.2019 um 17:41
Justus Nieschlag hat 2019 für ein Ausrufezeichen im deutschen Kurzdistanz-Lager gesorgt. In Madrid gewann der 27-jährige Lehrter Anfang Mai das Sprint-Weltcup-Rennen. Nieschlag ließ anschließend weitere starke Ergebnisse folgen, unter anderem Rang sieben beim World Triathlon Series-Rennen in Hamburg und an gleicher Stelle WM-Silber in der Mixed-Team-Relay. Alles war angerichtet, um beim Olympia-Testwettkampf in Tokio Mitte August das Olympia-Ticket zu lösen. Es sollte aber anders kommen. Justus Nieschlag zog sich Anfang August bei der Sprint-DM in Berlin eine schwere Zehenverletzung zu, als er im Eifer des Gefechts in der Wechselzone barfuß in die Messerspeichen seines Laufrads trat. Die Saison war damit gelaufen. Nun muss der Athlet des EJOT Team Buschhütten umplanen und auf einen Sahnetag beim alles entscheidenden internen Olympia-Testwettkampf in Kienbaum am 28. Mai hoffen.

tri2b.com: Wir sind kurz vor Weihnachten, noch sind es gut sieben Monate bis zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio. Durch die unglückliche Verletzung bei der Sprint-DM in Berlin ist deine zweite Saisonhälfte 2019 im Endeffekt komplett ausgefallen. Wie groß ist jetzt die Vorfreude auf die Saison 2020?
Justus Nieschlag (J.N.): Eigentlich ist es wie immer, wenn man sich drauf freut, dass es wieder losgeht. Zudem ist es schön, wenn man merkt, dass der Fuß wieder funktioniert und alles soweit schmerzfrei ist. Jetzt freue ich mich sehr auf die kommenden Aufgaben und die kommenden Rennen. Insbesondere habe ich die Hoffnung, nach der Verletzung noch stärker zurück zukommen und an meine Leistungen der Vorsaison anzuknüpfen.

tri2b.com: Du hattest bist zur Verletzung Anfang August eine wirkliche Topsaison. Dann musstest du deswegen den Olympiatestwettkampf in Tokio sausen lassen und somit auch die Chance, frühzeitig das ersehnte Olympiaticket zu holen. Wirft das deinen Plan nun komplett über den Haufen?
J.N.: Es verändert jetzt nicht alle Dinge komplett, aber man hätte sich etwas fokussierter und entspannter auf die Bedingungen in Tokio und allgemein auf das Olympiarennen vorbereiten können. Das ist jetzt ein bisschen anders, gerade weil das Quali-Rennen in Kienbaum nun eine ultrakurze Distanz ist und das eigentliche Rennen in Tokio ja über die Olympische Distanz geht.
Wir verfolgen aber jetzt keine spezielle Strategie, in dem wir sagen, wir trainieren jetzt nur noch auf dieses Team-Relay-Format. Ich werde mich ganz normal auf die neue Triathlonsaison vorbereiten, komme was wolle, so dass ich dann für alle Eventualitäten gerüstet bin. Wenn ich jetzt verletzungsfrei und gesund durchkomme, dann bin ich auch zuversichtlich, dass ich da wieder meine volle Leistung bringen kann.

>>Hintergrund: So läuft der olympische Test-Wettkampf in Kienbaum ab ...

 

tri2b.com: Ein Einzelstart bei Olympia ist sicher die Krönung für jeden Athleten. Innerhalb der DTU wird jetzt der Fokus hinsichtlich der Nominierung auf die Staffel gesetzt. Schlagen da in dir jetzt zwei Herzen?
J.N.: Das würde ich jetzt gar nicht mal so sagen. Klar ist das Olympia-Einzelrennen auch sehr interessant, aber wir haben ja dieses Jahr in Hamburg gesehen, oder auch in Weert bei der Europameisterschaft, wo ich auch dabei war, dass wir in der Staffel gute Chancen haben ganz weit nach vorne zu kommen. Es muss einfach alles stimmen am Tag X, dann kann man da ein richtig gutes Ergebnis machen, zumal es im Team immer auch etwas ganz besonderes ist. Man ist verantwortlich für eine ganz Mannschaft. Wenn man da verreißt, dann zieht man die anderen mit runter. Deshalb ist in der Staffel auch der Druck immer ein bisschen höher. Ich glaube vom Typ her bin ich so, dass ich beide Formate relativ gut vereinbaren kann. Ich denke, ich habe 2019 gute Rennen in der Team-Relay gezeigt und auch meine Ansätze auf der Olympischen Distanz sind auf jeden Fall deutlich besser geworden.

tri2b.com: Wie ist jetzt konkret dein Fahrplan bis zum alles entscheidenden Olympiaquali-Wettkampf in Kienbaum?
J.N.: Vor Weihnachten war jetzt noch ein Trainingscamp auf Fuerteventura angesetzt, um unter einfach guten klimatischen Bedingungen eine stabile Grundlage zu legen. Im Januar geht es dann nach Lanzarote, um nochmal einen schönen Block zu setzen. Im Februar werde ich dann Joao Silva (u.a. 9. Platz Olympia 2012 in London, Anmerkung der Redaktion) in seiner portugiesischen Heimat besuchen und mich bei ihm auf das erste Saisonrennen, das ITU World Triathlon Series Rennen in Abu Dhabi Anfang März, vorzubereiten. Danach werde ich dann den kompletten März in Deutschland sein, wobei zum Monatsende dann wohl noch ein Rennen dazu kommt. Da ist aber noch nicht klar, was es genau wird, die Auswahl an Rennen ist leider zu dieser Jahreszeit noch sehr beschränkt. Nach aktuellem Stand werde ich dann im April nochmal in die Höhe gehen und einen Höhenblock machen. Dann ist auch schon Mai, wo noch die spezielle Vorbereitung auf den alles entscheidenden Testwettkampf stattfindet.  

tri2b.com: Im Falle der Olympia-Qualifikation kommt auf dich in Tokio dann ein Rennen unter extremen klimatischen Bedingungen zu. Du warst aus dem eingangs erwähnten Verletzungsgrund nicht beim Testrennen dabei. Wie groß ist dein Respekt vor diesen Bedingungen?
J.N.: Ich kenne die Bedingungen vor Ort in Tokio leider nur aus den Erzählungen der Teamkollegen. Ich war aber zum Beispiel schon bei der WM auf Cozumel dabei, wo die klimatischen Bedingungen wohl sehr ähnlich waren. Hohe Luftfeuchtigkeit, sehr heiß, sehr warmes Wasser bis an die 30 Grad. Da bin ich damals relativ gut mit klar gekommen, ohne dass ich mich großartig drauf vorbereitet hatte. Von daher glaube ich, dass ich von Grund auf mit solchen Hitzebedingungen ganz akzeptabel mit umgehen kann. Klar, wenn man dann auf höchstem Level performen will, dann bedarf das wahrscheinlich noch ein paar anderer Vorbereitungen. Aber ich habe da ein ganz gutes Team um mich herum mit meinem Trainer Dan Lorang. Ich verlass mich da darauf, dass, wenn es Ende Mai hoffentlich soweit ist, die richtigen Entscheidungen getroffen werden.

Wir hatten zuletzt beim Eröffnungslehrgang einen medizinischen Vortrag. Es dauert so bis zu zwei Wochen, um sich an solch extreme klimatischen Bedingungen zu gewöhnen. Aber man verlernt diese Fähigkeit der Hitzeanpassung genauso schnell wieder. Deshalb macht es keinen Sinn, sich jetzt über ein halbes Jahr davor die Rolle in die Sauna zu stellen.

tri2b.com: Du hast gerade deinen Trainer Dan Lorang angesprochen, der im vergangenen Oktober Anne Haug und Jan Frodeno zum Hawaii-Sieg geführt hat.  Ist für dich irgendwann auch die Langdistanz ein Ziel, auf der Mitteldistanz warst du ja schon einmal unterwegs?
J.N.: Poah, die ganz lange Ironman-Distanz ist schon nochmal was anderes. Den passenden Trainer hätte ich ja schon (lacht). Ich denke die Mitteldistanz ist auf jeden Fall dann irgendwann ein Thema. Der Ausflug 2017 bei der Challenge Peguera-Mallorca hat Spaß gemacht und lief auch gut. (Justus Nieschlag gelang bei seiner Mitteldistanz-Premiere gleich ein überlegender Sieg; Anmerkung der Redaktion). Gerade auch deshalb, weil ich meine Stärken auf den Rad habe. Aber ich muss einfach schauen, wie sich das so entwickelt und wie es nach Tokio weitergeht.

tri2b.com: Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen dir eine  gute und vor allem verletzungsfreie Saisonvorbereitung, damit du im Mai topfit in Kienbaum an der Startlinie stehst.