Kurzmeldung


Der Ökonom ist im Vorteil

von Biestmilch´s Seven für tri2b.com | 01.04.2008 um 13:24
Unser erster Beitrag befasste sich mit dem schwierigen und wissenschaftlich nur mangelhaft definierten Begriff des Körpergefühls. Dieser Text wendet sich nun der Biomechanik zu. Wenn man den Begriff Mechanik hört, dann erweckt das unmittelbar den Anschein äußerster Klarheit und Wissenschaftlichkeit. Wir gehen dieser Klarheit und ihren Grenzen auf die Spur.

Unser erster Beitrag befasste sich mit dem schwierigen und wissenschaftlich nur mangelhaft definierten Begriff des Körpergefühls. Dieser Text wendet sich nun der Biomechanik zu. Wenn man den Begriff Mechanik hört, dann erweckt das unmittelbar den Anschein äußerster Klarheit und Wissenschaftlichkeit. Wir gehen dieser Klarheit und ihren Grenzen auf die Spur.

Kapitel 2: Biomechanik - eine Miniskizze
die besten Athleten sind auch die Ökonomischsten!

Die Biomechanik vertritt die Ansicht, dass ein Muskel weniger Spannung erzeugen muss indem er sich kontrahiert, wenn seine Fähigkeit elastische Energie zu speichern größer ist und die sich anschließenden Sehnen und die bindegewebigen Strukturen innerhalb der Muskulatur in der Lage sind als Federn zu fungieren. Die Eigenschaften des Muskels werden oft mit denen von anderen elastischen Materialien verglichen. Allerdings variieren diese Eigenschaften in Abhängigkeit vom Trainingszustand und von der nervalen Innervation und natürlich auch von der Art des Muskelaufbaus (gefiedert, bauchig, etc.). Die Biomechanik unterteilt die Arbeit des Muskels wie folgt:


  • Vor Einwirken der äußeren Kräfte (z.B. Bodenreaktionskraft, Massenträgheit von Geräten) kommt es zu einer Aktivierung (Vorinnervation) des kontraktilen Teiles (isometrische Anspannung).


  • Dem folgt in der Hauptphase der Bewegung eine mehr oder weniger ausgeprägte Dehnung des Muskels, die mit der Speicherung elastischer Energie verbunden ist.


  • Anschließend nähern sich Ursprung und Ansatz des Muskels, was mit einer Energiefreisetzung aus dem System Sehne/Muskel einhergeht (Wärmeentwicklung)


Diese Phasen der Energiefreisetzung des Muskels können beeinflusst werden. Die Vorspannung des Muskels (auch Preflex genannt) ebenso wie die mechanischen Eigenschaften des Muskels und der Sehnen können trainiert werden und letztlich kann auch die äußere Krafteinwirkung (andere Sportart, andere Geräte) modifiziert werden.

Sparsam zur Bestzeit
Je effizienter eine Muskelbewegung umgesetzt wird, umso länger kann trainiert werden, da zur Muskelermüdung führende Metaboliten langsamer anfluten und die Wärmeentwicklung im Organismus verzögert ist. Es lohnt sich also in jedem Fall der Ökonomie der Bewegungsabläufe sein Augenmerk zu schenken. Denn beispielsweise erlaubt ökonomischeres Laufen, längeres Laufen und infolge auch schnelleres Laufen. Das heißt auf der selben Strecke bei zunächst gleicher Geschwindigkeit weniger Sauerstoff zu verbrauchen und damit weniger Wärme zu erzeugen, die letztlich einen die Leistung limitierenden Faktor darstellt. Trainingsstudien untermauern, dass Verbesserungen in der Laufökonomie vor allem bei gut trainierten Athleten den Trainingseffekt ausmachen. Bei gleichen Sauerstoffverbrauch schneller zu laufen, das bedeutet ökonomisch zu laufen. Eine hohe aerobe Kapazität ist hingegen ein Marker für eine schlechte Laufökonomie. Die besten Marathonläufer haben VO2max-Spiegel zwischen 63-74 ml/kg/min. Höhere VO2max-Werte sind deshalb nicht mit größeren Erfolgen verbunden.

Der Gepard – ein Beispiel für großartig optimiertes Laufen
Gewicht reduzieren – Laufökonomie verbessern
Diese Raubkatze gilt als das schnellste Landtier. Er kann eine Spitzengeschwindigkeit von bis zu 112 km/h erreichen, seine hohe Geschwindigkeit aber nur für etwa 400 m oder weniger als eine Minute durchhalten. Seine Kopf-Rumpf-Länge beträgt ca. 150 cm, hinzu kommt ein 70 cm langer Schwanz. Die Schulterhöhe beträgt 80 cm. Trotz dieser stattlichen Größe bringt er nur auf ein Gewicht von bis 60 kg auf die Waage.
Seine Wirbelsäule ist hochflexibel und verleiht dem Geparden eine ungeheure Elastizität. Sein ganzer Körper macht im Zustand isometrischer Anspannung den Eindruck einer gespannten Feder. Wenn er zum Sprint antritt, dann erreicht er nach zwei Sekunden 60 km/h. Laborexperimente haben gezeigt, dass der Gepard, wenn er eine Rektaltemperatur von 40,5 bis 41°C aufweist, umgehend aufhört zu laufen. Sie legen sich einfach auf das Laufband, strecken die Beine von sich und verweigern jede Bewegung.

Ermüdung des Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus
Wiederholte hohe Geschwindigkeit und kurz andauernde exzentrischen Muskelkontraktionen wie beim Laufen induzieren eine spezielle Form der Müdigkeit, die bis zu sieben Tage nach einem Marathonlauf andauern kann. Charakteristisch für diese Ermüdung ist die verminderte kontraktile Kapazität des belasteten Muskels verbunden mit einer geringeren Dehnungstoleranz sowie ein verzögerter Übergang von der Dehnung zur Verkürzung im Rahmen des Ablaufes des Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus. Der Muskel verliert seine Elastizität, da die nervale Reflexsteuerung nicht adäquat funktioniert. Die Bewegung wird unflüssig und starr. Diese Ermüdung des Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus liegen reversible Mikroverletzungen (Entzündungsherde) des Muskels und da vor allem der Muskelspindeln (Sensoren zur Messung der Längenveränderung innerhalb der Muskulatur) zugrunde, deren Heilungsprozesse bis zu einer Woche dauern können.

Zurück nach Afrika:
Kenianer trainieren generell härter als Topathleten der anderen Kontinente. Trainingsvolumen und Trainingsintensität sind vor allem in jungen Jahren unvergleichbar. Die Folge des harten Trainings ist eine strukturelle Veränderung der bindegewebigen Strukturen im Bereich der Wadenmuskulatur und des Sprunggelenks. Der Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus, dem ein Reflex zugrunde liegt ist sozusagen "abgetötet". Über die größere passive Elastizität der bindegewebigen Strukturen können Sie sich mit weniger Kontraktion und mehr Speicherung von potentieller Energie fortbewegen.

Zudem haben sie meist ein geringeres Körpergewicht, auch wenn sie nicht immer klein sind. Somit ist ihre Laufökonomie ebenfalls besser. Dies ist zumindest eine plausible Erklärung für ihre außerordentlichen Laufleistungen und vor allem dafür, dass diese Athleten bspw. bei einem Marathon keinen Einbruch erleben, wie ein Hobbyathlet, dessen DVZ zusammenbricht. Ohne hartes Training über mindestens zehn Jahre lässt sich diese Leistung schlichtweg nicht erzielen.

Zusammenfassung auf »Biomechanisch«
Eine gute Laufökonomie bedeutet weniger Muskelschäden durch reduzierte Wärmeentwicklung im Muskel (auch Hitze schädigt das Gewebe) und bis zu einem gewissen Grad eine höhere Effizienz des Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus resultiert in weniger Muskelschäden bei exzentrischer mechanischer Belastung. Bei Langzeitbelastungen wie bspw. dem Marathon sind die Sportler im Vorteil, die nicht auf den DVZ angewiesen sind und die Energie in Sehnen und Bänden speichern können. Daraus ergibt sich eine schnellere Regeneration und die Möglichkeit, nicht auf Kosten der Regeneration mehr trainieren zu müssen.

Unser Tipp für Sie aus biomechanischer Sicht
Krafttraining, Rumpfaufbau, Dehnungsübungen zum richtigen Zeitpunkt, Lauf A-B-C. Jeder weiß das im Grunde genommen und trotzdem fällt es uns allen so schwer, diese unverzichtbaren Teile des Trainings regelmäßig zu machen. Langzeitschäden wie Kreuzschmerzen, Hüftproblemen, Fersensporn ... die Liste wäre lang, lässt sich nur so entgegen wirken.