Rad-Langzeittest: Canyon Speedmax CF 9.0 PRO – das Fazit

von Philipp Görgen für tri2b.com | 29.11.2011 um 18:08
Nun hat es das Canyon hinter sich. Oder wir das Speedmax hinter uns. Wir sind also sozusagen fertig miteinander. Im wahrsten Sinne des Wortes. Circa 2500 km haben wir mit dem Speedmax CF 9.0 PRO aus dem Hause von Roman Arnold abgespult. Von Ende Mai bis Ende September kein schlechter Wert für einen Hobby Triathleten. Ausreichend, um ein ordentliches Fazit zu ziehen. Aber wir sind uns einig: ein solcher Testumfang, inklusiver häufiger Trainings- und Wettkampfeinsätze sind schon fast das Minimum, um ein Rad seriös beurteilen zu können. Zu viele Dinge, vor allem die Kleinigkeiten, zeigen sich erst im Laufe der Zeit.

Als Highlight durfte das Speedmax zum Testabschluss noch nach Süd-Frankreich reisen. Dabei passte es in einem handelsüblichen Mittelklasse Kombi ohne umgeklappte Rückbänke so easy hinein, dass sich sogar noch die Abdeckung schließen ließ und das Rad sozusagen von außen unsichtbar wurde. Vor Ort wartete dann der Ironman 70.3 France auf das Canyon. Tja und was soll man sagen? 1200 Höhenmeter auf 90km verleiten nicht unbedingt zu einem gleichmäßigen Rhythmus. Aber wir waren überrascht, wie sicher und komfortabel es lief. In den häufigen Bergaufpassagen waren wir in jeder Situation schnell unterwegs, einzig wenn es sehr steil wurde und noch ein Schaltvorgang von Nöten war, musste man hier und da schon mal etwas Geschick walten lassen. In den teilweise rasanten Abfahrten, lief das Canyon sehr sicher und spurstabil. Hier zeigte sich auch im Vergleich zu den ersten Trainingsfahrten (siehe ersten Teil des Testes), dass mit zunehmender Gewöhnung das Kurvenverhalten erheblich besser wurde. 

Technisch einfach solide


So sehr wir uns auch bemüht haben, wir konnten einfach nichts Schlechtes am Canyon finden. Am Speedmax 9.0 PRO gibt es nichts auszusetzen. Das Rad wird Profis wie Anfängern absolut gerecht. In Zeiten hochgezüchteter Zeitfahrmaschinen, eine absolut solide Wahl. Mehr braucht man nicht, um schnell von der T1 in die T2 zu kommen. Mit ein bisschen Geschick kann man alles selber machen, die Sattelstützenklemmung, ein häufiger Kritikpunkt bei anderen Bikes ist beispielweise spielerisch einfach einstellbar und sehr solide verarbeitet. 

Gut, designmäßig ist es jetzt nicht der große Wurf und zumindest was die Lackierungen angeht, könnte man sich einmal mehr als das ewige schwarz-weiß einfallen lassen. Aber, und das hat uns wirklich sehr gefallen, dass Rad ist durchdacht. Kein "Möchtegern", sondern eher bodenständig und man merkt, dass eine solide Entwicklungsarbeit zugrunde liegt. 

Wir hatten euch im ersten Teil unseres Testes versprochen, das Canyon mit einer Scheibe zu testen und davon zu berichten. Das wäre auch für ein Zeitfahrrad adäquat. Leider sah sich keiner der von uns angesprochenen bekannten Hersteller in der Lage, uns eine Scheibe zur Verfügung zu stellen. 


Für Low-Budget: Rahmenset und Selbstaufbau möglich


Zur Ausstattung lässt sich sagen: in der gefahren Variante geht sicher nicht viel mehr, sieht man einmal von Shimano DI2 und Scheibe (sofern geeignete Strecke) ab. Wenn man nicht eben mal 5000,- Euro hat, wie der Tester Hobbysportler ist und immer noch völlig ausreichend unterwegs sein will, dann tuen es sicherlich auch eine Sram Force oder Ultegra und vergleichbare Hochprofilfelgen von einem der anderen zahlreichen Anbietern. Beim Lenker könnte man noch zur Alu Variante greifen. All das sollte das Rad dann unter die 3000,- Euro Marke und damit in für die meisten wohl deutlich realistischere Bereiche drücken. Wer es selber kann, oder einen guten Mechaniker kennt und günstig an Teile kommt, der sollte auch die Variante Rahmenset und Aufbau in Eigenregie, in Betracht ziehen. 

Es sind wirklich nur einige wenige Kleinigkeiten, die wir an unserem Testbike zu beanstanden haben. Sie betreffen allerdings meist die Komponeten und wären damit gut "behandelbar". Begeben wir uns also nun in einen kompletten "Review": 

Mit ungekürztem Gabelschaft bestellen: Wir stellten im Laufe der Zeit fest, dass es sich empfohlen hätte, wenn man den Gabelschaft etwas höher hätte stehen lassen und ihn ggf. nachgekürzt hätte. Die Position war so zwar sehr aerodynamisch, aber für längere Distanzen dann doch ein wenig zu extrem. 

Wobei hier nicht etwa der untere Rücken Probleme machte, sondern es von der Überstreckung des Nackens und der Einengung einfach ein wenig zu extrem war. Wer also bei Canyon bestellt, sollte einfach darauf achten, dass die Gabel ungekürzt bleibt. Erst nach ausgiebigem Testen auf eine endgültige Position kürzen - andersrum ist ja bekanntlich schwierig. 

Gabel: Die Gabel ist teilweise aus Karbon, der Schaft jedoch aus Alu. Auch wenn bei einem Zeitfahrrad das Gewicht nicht die entscheidende Rolle spielt, fragen wir uns doch, warum man keine Vollkarbongabel verbaut? 

Rahmen: Der Rahmen des Canyons ist wirklich ausgereift. Ohne Spielereien, mit dem sollte (fast) jeder klar kommen. Flächige, aerodynamische Rohre, perfekte Maße, grades Ausfallende. Hier ist dem Hersteller wirklich ein solider Wurf gelungen, der das Potential hat, noch lange auf dem Markt bestehen zu bleiben. Das einzige was uns negativ aufgefallen ist, ist die Lackierung: die leicht rauhe Oberfläche ist zwar schick anzuschauen, aber wenn es ans Saubermachen geht, macht sich fast schon Verzweiflung breit. Der Schmutz klebt förmlich am Speedmax. Hier würden wir uns einen stabilen Klarlack wünschen, den man einfacher reinigen kann - das Auge fährt schließlich mit und das Mehrgewicht ist vernachlässigbar. 

Lenker: Der Lenker ist zwar, wie im ersten Teil schon beschrieben, sowohl in Aero- wie auch in Außengriffposition gut zu fahren, aber er stellt aus unserer Sicht trotzdem nicht für jedermann die perfekte Wahl dar. Zum einen hätten wir uns im Laufe des Tests mehr Verstellmöglichkeiten gewünscht. So sollte es in solchen Preisklassen einfach zum guten Ton gehören, das zum Beispiel die Armpads sowohl in der Höhe, als auch in horizontal und vertikal in einem deutlich größeren Bereich verstellbar sind. Der Profile CX 3 bietet hier mit je 2 Positionen einfach zu wenig. 
Ebenso fragt man sich, warum es nicht schon längst Standard ist, das es die Schaumstoffarmauflagepads in unterschiedlichen Stärken gibt, sinnvollerweise in Form eines modularen Systems, das auch gleich mitgeliefert wird. Bei einem Lenker für 500 Euro, sollten dies doch im Budget drin sein. 

Zudem machten uns die nach oben gebogenen Außengriffe ein wenig unglücklich. Wenn man aus der Aeroposition nach außen greift, beispielsweise um zu bremsen, hat diese Konstruktion zwar den Vorteil, dass der Weg den die Hand bzw. der Arm zurücklegen muss etwas kürzer ist, als bei graden Griffen. Allerdings kann es unbewusst passieren, dass man regelrecht gegen den Lenker schlägt, wenn man beispielsweise aus der Aeroposition schnell und evtl. etwas unkonzentriert eine Hand vom Lenker nimmt, um zum Beispiel ins Trikot oder nach der Flasche zu greifen. Der Ruck der daraufhin durch Fahrer und Rad geht, sorgt für einen gehörigen Adrenalinstoß und das ein oder andere Mal waren wir froh sitzen zu bleiben. Hier würde sich ein Modell mit gradem bzw. abfallenden Griffstück wie man es von anderen Herstellern kennt nicht nur anbieten, sondern nicht zuletzt aus Sicherheitsgründen empfehlen. Man betrachte dazu einfach auch mal hin und wieder den Cockpit Aufbau von Maschinen aus dem Radsportlager - es macht durchaus Sinn, sich hier etwas abzuschauen. 

Sattel: Der Sattel bereitete uns keinerlei Probleme, war sehr angenehm zu fahren und kann uneingeschränkt empfohlen werden. 

Gruppe: An dem Komponenten Mix von SRAM (Red Bremsen, Schalt- und Bremshebel, Schaltwerk, Force Umwerfer) und der Vision-Kurbel gibt es nichts auszusetzen. Die vollverkleidete Kurbel sieht martialisch aus, macht sich natürlich aber auch gewichtsmäßig bemerkbar. Es macht das Rad nicht schlechter, aber man fragt sich trotzdem warum nicht einfach einheitlich die SRAM Red verbaut - schaut man aktuell auf die Canyon Homepage, stellt man fest, dass dies bereits nachgebessert wurde. 
Erwähnenswert sind die "intelligenten" B2C - das steht für "Back to Center" Karbon Schalthebel. Die sehen nicht nur schick aus, sondern bewegen sich mittels Federmechanismus auch nach jedem Schaltvorgang in ihre horizontale Ausgangsposition zurück. 

Laufräder/ Reifen: Die Zipp Kombination ist ebenfalls über alle Zweifel erhaben, wir sind das Speedmax auch ausschließlich mit Ihnen gefahren. Auch bei längeren Regenfahrten gab es keine Probleme - Karbon bremst zwar etwas schlechter als Alu, aber wenn man sich darauf einstellt, geht auch das ohne Probleme. 

Einzig vor diesen neue Plastik-Ventilverlängerung warnen wir ausdrücklich! Diese Erfindung ist uns so unverständlich, dass wir sie nur auf Kostengründe zurückführen können. Dabei werden diese lediglich auf das Ventil aufgeschraubt, dass so zwangsweise immer offen bleibt. Das kann schon beim simplen Luft aufpumpen zum Problem werden. Mal sitzt die Plastikverlängerung nicht richtig, bzw. hat sich bewegungsbedingt gelockert und muss wieder festgeschraubt werden; mal hat sich das Ventil verhakt und man muss es mit einem geeigneten Gegenstand mobilisieren, bevor Luft hinein kann. 

Klassisch wird der Ventilschaft durch eine entsprechende Verlängerung angepasst und das Ventil an sich schaut dann wie gewohnt aus der Öffnung an der Felge. So kann man bei Problemen auch mal das Ventil herausschrauben und austauschen, während man bei der Plastik Lösung, den Schlauchreifen für ein solches Manöver demontieren muss - glücklicherweise ist uns das erspart geblieben. 

Ein weiterer Grund aus dem man unbedingt auf klassischen Verlängerungen bestehen sollte: In Schlauchreifen gehört Pannenmilch! Und die kann man nur einfüllen, wenn man das Ventil herausschraubt. Sie löst nämlich quasi alle Argumente für Drahtreifen in Luft auf. Einmal eingefüllt, verschließt die Milch auftretende Löcher zuverlässig so schnell, dass man noch nicht mal absteigen muss um Luft nach zu pumpen. Einzig und allein wenn der Reifen über die Länge aufreißt, muss man stoppen. Da man aber in der Regel auch mit Drahtreifen keinen Ersatz Mantel dabei hat, ist man in beiden Fällen aufgeschmissen. Im ersten Fall kann man allerdings die Vorteile der Profibereifung genießen. 

Mängelliste: 
Echte Mängel traten nicht auf. Zwei "Kleinigkeiten" sind uns im Testzeitraum aufgefallen: 

- Bremsgriff vorne rechts: Schraube lockerte sich und ging während der Fahrt verloren. Eine neue mit Loctite behandelte Schraube hielt dann aber tadellos. 

- Sattelklemmung: Bei einem Wettkampf löste diese sich leicht, beim Verlassen von T1 und dem obligatorischen Sprung auf das Rad. Der ausgelöste Krach und das anschließende Knarzen verhießen zunächst nichts Gutes. Die Stütze hielt aber im Wettkampf. Allerdings zeigte die Untersuchung danach keinerlei Schäden. Nachdem die Schrauben mit dem beiliegenden Drehmomentschlüssel wieder korrekt angezogen wurden, war auch das Knarzen wieder verschwunden.